Tag 08 - Exklaven in Exklaven
SA, 08. Juli 2017 – Exklaven in Exklaven
bei Mol – bei Hank
Gegen 6 wache ich wegen dem Krach der Vögel auf, kann aber gleich wieder einschlafen. Am Morgen ist mir vor der Abfahrt gleich klar, dass ich nicht die von Google Map angegebene Route fahren werde, denn dies ist schon wieder ein Kanal, wovon ich gerade wirklich genug habe. Ich starte erst um 10:30. Unterwegs mache ich kurz Halt, weil ich eine Anhalterin sehe. Sie ist maximal Anfang 20, kommt aus Istanbul und will bis nach Amsterdam. Ob sie schon den ganzen Weg getrampt ist, weiß ich nicht. Und ich kann auch nichts Weiteres über sie sagen, da ihr Englisch kaum besser ist als mein Türkisch. Also fast nicht vorhanden. Und nein, sie trägt kein Kopftuch - genauso wenig wie die meisten Frauen aus Istanbul und anderen türkischen Großstädten. Später fahre ich weiter entlang der Enclavenroute.
Nur weil ich nicht nach Antwerpen gefahren bin, komme ich an der belgischen Exklave Baarle vorbei. Dass ich an den bekannten Grenzmarkierungen, die mitten durch die Stadt und Häuser laufen, komme, ist ein Glücksfall. Denn vom Hauptweg musste ich abkommen, dieser war für Fahrradfahrer gesperrt wegen einer Baustelle. Und Radwege führen wie gesagt oft an Sehenswürdigkeiten vorbei. Baarle ist ein wirklich sehr spezieller Ort: Er teilt sich auf in die niederländische Gemeinde Baarle-Nassau und die belgische Gemeinde Baarlöe-Herzog. Die chaotischen Grenzverläufe mancher Schweizer Kantone sind im Vergleich zu diesem Ort wirklich ein Kinderspiel: So befinden sich in dieser belgischen Exklave wiederum niederländische Exklaven, Grenzen verlaufen mitten durch die Häuser. Da hier die letzte Chance besteht, belgische Pommes zu essen, nutze ich sie. Begeistert bin ich davon nicht. Da fand ich England begeisternder, wo es in den verschiedenen nebeneinanderstehenden Pommesläden meistens ganz verschiedene Formen und Geschmäcker gegeben hatte.
In Breda findet ein Stadtfestival statt, es ist verdammt viel los. Aber ich merke, dass es mich da nicht hinzieht. Je mehr Leute da sind, desto weniger lerne ich kennen. Ich entscheide mich, weiterzufahren. Seit dem heutigen Start habe ich nur die Hälfte mit Fahren verbracht, den Rest mit allem Möglichen. Gerade mal 60 km habe ich bisher erreicht. Und das bei ebener Strecke und kaum Gegenwind. Vor allem bei meist sehr klarer Straßenführung. Ich frage ab und zu nach, insgesamt läuft es aber ziemlich gut. Da es in den nächsten Tagen Regenwetter geben soll und ich trotz der Zugfahrt immer noch einen Tag hintenan stehe, überlege ich mir, ob ich nicht auch Amsterdam auslassen soll. Ich hätte die Stadt ohnehin nur umfahren oder wäre höchstens kurz hindurchgefahren. Ich habe einfach keine Lust auf Massentourismus und Enge.
Um weiter zu planen, muss ich mir ein Restaurant oder Café suchen. Denn ohne Smartphone habe ich keine Internetverbindung und die hätte ich gerne, da ich von ihr bzw. von der Wettervorhersage meine Planung abhängig mache. Dazu zwei Punkte: Wenn ich in ein Café gehe, ziehe ich mir immer meine kurze Hose über die Sportkleidung. Da die Creme und der Schweiß trotzdem oft durchdringt, nehme ich immer mein Handtuch mit, auf das ich mich setze. Und ich versuche immer, die Arme nicht in Verbindung mit dem Tisch zu bekommen. Denn ich finde es einfach ekelhaft, die von mir benutzte Sitzcreme, Sonnencreme und den daran haftenden Dreck (Sand, Blüten, Blätter, Insekten) da anzubringen, wo sich später andere Leute hinsetzen. Gestern hat das nicht so ganz geklappt, weswegen ich die Bedienung nach einem Abwischtuch gefragt habe.
Zu den Veränderungen der letzten Jahre: 2003 habe ich für die Reise nach Damaskus gar kein Internet benutzt, 2007 bei der Radtour nach Jerusalem gab es die Internetcafés, 2015 bei der Radtour nach Isfahan gab es in fast allen Cafés und Restaurants kostenlose Internetverbindungen. Dieses Jahr komme ich mir bei der Frage nach Wireless und dem Zugangscode ziemlich veraltet vor, die Mitarbeiter schauen zum Teil etwas komisch, weil fast alle ein Smartphone haben. Das allein reicht aber nicht: Kontakte zu anderen, die eine kostenlose Unterkunft anbieten, geht fast auch nur noch über Smartphone, Emails benutzen manche fast gar nicht mehr. Wie sieht das denn in Zukunft aus? Smartphone ist ja sicher nicht die letzte Entwicklung. Bekommt man vielleicht direkt nach der Geburt einen Chip eingepflanzt, der einem die ganze Elektronik spart? Oder zum Beispiel eine eingebaute Google-Brille?
Zurück zum Thema. ich fahre in den Osten und lasse Amsterdam aus.
Zum Einkaufen reicht es mir noch – es ist Samstag Abend. Allerdings merke ich danach, dass die Supermärkte in den Niederlande auch sonntags geöffnet haben. Direkt am Weg liegt unerwartet ein großer See. Schwimmen ist verboten. Da ich aber nur die Ansammlung an Dreck und Tieren abwaschen will, die sich auf der Sonnencreme angesammelt haben, gehe ich nur kurz den leichten Einstieg hinein. Weiter geht die Fahrt in Tagesklamotten.
Um 21:15 werde ich fündig und lasse mich unter dem Vordach eines Hofgebäudes eines Bauern unter. Da hier kein Wohngebäude ist, gebe ich den Nachbarn bzw. einem Freund dieser Bescheid und leihe mir von ihnen gleich einen Besen aus, damit nicht zu viel Dreck an die Isomatte. Viel mehr Platz als für meine Isomatte und das Gepäck ist da übrigens nicht. Falls es also zum Regnen kommen sollte, würde ich dumm daliegen. Als die Mutter des Hauses, Zoanette, ankommt, kommt sie zu mir und stellt sich vor. Wir haben ein nettes Gespräch miteinander, schließlich schaut noch ihre Tochter (12) und der ältere Sohn mit seiner Freundin vorbei. Sie lädt mich sogar ein, in ihrem alten Caravan zu schlafen. Ich lehne dankend ab, da es heute Nacht wohl trocken bleiben wird. Dafür gehe ich morgen früh gerne rüber zum Frühstück.