Tag 07 - Tagsüber am Kanal, nachts am See
FR, 07. Juli 2017 – Tagsüber am Kanal, nachts am See
Maastricht – bei Mol
Der Plan für heute ist ziemlich einfach: Aus Maastricht raus, am Albert-Kanal entlang und somit direkt in Antwerpen ankommen. Mehr als die bei Google Maps angegebenen 120 km werde ich also kaum erreichen können, Umwege scheine n kaum möglich zu sein. Allerdings kommt es anders: Erst mal verfahre ich mich in Maastricht brauche und lange, um alle notwendigen Einkäufe zu erledigen. So habe ich es in den ersten Tagen geschafft, meine Zahncreme, Deo und Duschgel zu verlieren. Das ist ein Rekord in Anzahl und Zeitraum. Beim Einkauf habe ich aber laut einer Frau, die ich im Geschäft anspreche, genau den richtigen Ort erwischt. Hier sei es zwar teuer, aber immer noch günstiger als in den anderen Läden des Landes. Sie selbst komme zwar von hier, wohnt aber mit ihrem Mann in Zürich und kauft immer in Deutschland ein.
Schließlich schaffe es dann auf den Kanal, der direkt hinter Maastricht, also in Belgien, beginnt. Meine Befürchtung bewahrheitet sich aber: Gegenwind. Dazu kommt noch, dass ich mich an dem anscheinend so unglaublich einfachen Weg öfter verfahre. Bei Bolderberg etwa entschließe ich mich dazu, nicht nur vom Kanal abzukommen, sondern das Ziel Antwerpen ganz von dieser Tour zu streichen. Die Stadt soll zwar schön sein, ist es mir aber nicht wert, mich bis zum Tagesende zu quälen. Vielleicht ein anderes mal, mit dem Zug oder Flugzeug. Die Entscheidung lohnt sich schon bald. Denn am Kanal sieht man nicht viel außer Wasser, Schiffe und etwas Grün. Wer das Land kennenlernen will, braucht sich das nicht 120 km lang antun. Außerdem müsste ich mir in der Großstadt wieder einen Schlafplatz suchen und bezahlen. Denn auf die sehr spontan (gestern Nacht) geschriebenen Emails wegen einer kostenlosen Unterkunft kam bisher keine einzige Antwort.
Auf jeden Fall fahre ich ab jetzt entlang der Bundesstraßen. Dabei komme ich durch Beringen, wo eine sehr imposante Kirche steht. Da ist aber noch mehr als der Hauptbau, nämlich ein ganzes Kirchengelände. Deshalb begebe ich mich in das ummauerte Gelände und stelle fest, dass es hier wohl eine islamische Gemeinschaft gibt. Sie laden mich ein, mich an ihrem Brunnen mit Trinkwasser zu bedienen. Später bieten sie mir noch einen Tee an, was ich aber dankend ablehne.
Hier geht es viel besser mit der Wegführung, wobei die an der Straße entlangführenden phantastischen Radwege hier wirklich zu loben sind: Im Kreisverkehr haben die Räder eine eigene Spur und immer Vorfahrt. Und ich fahre sogar durch eine teilweise untertunnelte mehrfache Kreuzung, die mir bisher so nicht bekannt ist. Allein dafür hat sich die Abkehr vom Kanal gelohnt. Aber auch hier geht nicht alles 1a: So verlasse ich die Stadt Mol auf den Ratschlag einer Frau (ca. 40), die extra aus dem westlichen Grenzgebiet zu Frankreich hergereist ist, um sich von einem Freund tätowieren zu lassen, folge der Beschilderung und lande dort wieder. Der Abstand zur nächsten Stadt Turnhout ist auch nach dem Komma immer noch genau gleich lang. Ich fahre weiter und erkundige mich spontan nach einem See oder Fluss, in dem ich den ganzen Dreck loswerden könnte, der sich auf der Sonnencreme angehaftet hat. Ein junges Paar schickt mich in Richtung Zilvermeer. Die Strecke dorthin ist nur 4 km, die Fahrt kommt mir trotz der ebenen Straßenführung aber sehr lange vor. Dafür fahre ich sogar wieder freiwillig an einem Kanal entlang und über einige Brücken. Es gibt hier viele Seen, die meisten sind aber nicht zum Schwimmen gedacht, dort wird noch gebaggert und sie sind zum Teil voller Algen. Der See, nach dem ich mich erkundige, ist genau das Gegenteil: Eingezäunt und mit speziellem Schwimmteil und auf der anderen Seite einem recht belegten Campingteil. Das passt wieder gar nicht zu dem, was ich mir vorgestellt hatte. Ich habe keine Lust, jede Nacht zig Euro zu zahlen und mich dann doch nicht wirklich frei zu fühlen. Die 4€ zum Schwimmteil zahle ich aber. Allerdings merke ich gleich nach dem Eintritt - ich darf durch die sehr freundliche Bedienung immerhin mein Rad mitnehmen, dass ich dort nicht schwimmen werde. Denn es ist eindeutig für Kinder und Teenager eingerichtet. Also fahre ich weiter Richtung Campinggebiet, mal schauen, was sich dort anbietet. Schwimmen darf man dort nicht. Ich unterlasse es auch, mich einfach kurz im Wasser von dem Dreck zu befreien, da es eine großzügige Toiletten-, Dusch- und Waschgebäude gibt. Die auf der Liste angegebenen 30€ für eine Übernachtung will ich aber auf gar keinen Fall ausgeben und verlasse das Gelände. Für Familien und Senioren scheint es aber sehr gute Angebote zu haben. Eigentlich hätte ich hier problemlos betrügen können, wie ich später merke, denn für Velofahrer gibt es einen speziellen Ausgang, den niemanden interessiert. Und wenn, dann hätten sie mich wohl nur gefragt, woher ich komme und wo mich die Reise hinführt. So fahre ich unbeabsichtigt im Gebüsch außerhalb des Zauns entlang und finde gegen 21:15 am nächsten See einen Schlafplatz - kostenlos.
Im Grenzgebiet zu dem südöstlichen Zipfel der Niederlande, der direkt an das deutschsprachige Belgien angrenzt, sprechen fast alle, mit denen ich Kontakt aufnehme, Deutsch. Danach klappt es nur noch mit Englisch, Französisch kann hier wohl auch niemand. Insgesamt passiert es mir zwei mal, dass mir Männer, die nur Niederländisch sprechen, den Weg zu erklären. Dabei verstehe ich fast alles. Nicht, weil ich die Sprache gelernt habe, sondern weil ich Deutsch und Englisch spreche. Und Niederländisch liegt nicht nur geographisch, sondern auch sprachlich genau dazwischen. Und vieles, was ich hier höre und lese, gibt es auch in angrenzenden deutschen Dialekten.
Die Belgier und Niederländer grüßen einen fast alle, zumindest auf dem Land und am Kanal.