Tag 130 - Über den Dächern von Yazd

DI, 04.08.2015 – Über den Dächern von Yazd

Yazd (IR)

 

Hotel

Die Männer des Hotels arbeiten nicht viel, was für mich spätestens seit der Türkei aber nicht neu ist. Meistens sitzen sie rum, reden, trinken Tee und sind vor allem mit ihren Smartphones beschäftigt. Sie kommen nicht auf die Idee, den wenigen Müll im Hof wegzuräumen, mein getrocknetes T-Shirt, das es in der Nacht von der Terrasse heruntergeweht hat, aufzuheben oder das Geschirr aus dem Pool zu holen. Laut französischen Gästen war es auch ein Chaos mit der Organisation des Buses nach Teheran. Zum Glück habe ich sehr niedrige Ansprüche und Wünsche. Allerdings ist es mein Glück, immer früh aufzustehen. Denn Frühstück wird hier auch keines nachgereicht, solange die Frau des Hauses es nicht macht. Die kommen nicht mal auf die Idee, solange man ihnen nichts sagt. Lieber hocken sie gähnend in ihren Stühlen.

 

Kontakte am frühen Morgen

Direkt vor dem Hotel ergeben sich einige Kontakte: der Fahrer eines Baggers spricht mich an. Er kommt ebenfalls wie der Taxifahrer Jonas aus Schiras und mag es hier nicht besonders. Denn in seiner Heimat seien die Menschen fröhlicher als hier. Irgendetwas muss also doch an Schiras dran sein, ich werde es beim nächsten Besuch versuchen, herauszufinden. Wie man auf den Bildern sehen kann, wird die Straße vom Uhrenturm bis zur Freitagsmoschee momentan neu gebaut, ist also aufgerissen. Beschäftigt werden dabei „Gastarbeiter“ vor allem aus Pakistan. Unglaublich, aber auch hier wird wie in der Türkei die aufgerissene Straße mit Wasser besprengt, damit es nicht staubt, sondern Schlamm gibt, durch den ich mich dann durchkämpfen muss.

Eine junge Frau (25) fragt mich, ob sie mit mir ihre Englischkenntnisse praktizieren könne. Sie wohnt mit ihren 6 Geschwistern in der Nähe des Busterminals. Sie lädt mich zum Abendessen ein, ich lehne aber dankend ab, da es mir zeitlich zu knapp wird. Kurz darauf besucht sie mich im Hotel. Sie ist daran interessiert, es zu besichtigen, darf aber nur in den Garten, nicht auf die Terrasse. Das ist wohl landesweit so, hier in Yazd ist man da aber wohl etwas strenger, sagt mir der Hotelchef selbst. Sie hat mir ein Geschenk mitgebracht – einen englischsprachigen Koran.

Danach schaue ich beim Friseur vorbei, dem ersten auf meiner Tour. Ich bin – im Gegensatz zu den meisten anderen Friseurbesuchen – sehr zufrieden mit dem Schnitt. Bisher habe ich ausgerechnet in dem Land, in dem ich letztendlich sehr ungern gelebt habe, in England, zwei sehr gute Friseure gefunden.

 

 

 

Fahrrad einpacken

Um kurz nach 1 treffe ich Davud, den ich im Bus hierher kennengelernt habe. Treffpunkt ist neben der Freitagsmoschee in überdachten Gassen des Basar, dessen Läden zum Teil schon seit langem Ruinen sind. Er ist mit Yaghob hergekommen, einem Fahrradmechaniker, dessen kleiner Tochter Yekta (4) und zwei Freundinnen. Sie bringen mir eine Radverpackung mit – eine der größten Sorgen beim Abschluss meiner Velotouren. Weil ich auf dem Rad vor allem fahre, es aber kaum reparieren kann und sonst keine besonders geschickten Hände habe, bitte ich Yaghob, mir beim Einpacken zu helfen. Ich habe gestern schon geahnt, dass ich nach dem jetzigen Treffen nicht mehr durch die Gassen fahren kann und somit meine Velotour definitiv zu Ende ist. Aber das ist in Ordnung. Ich war lange genug unterwegs und habe diese zauberhafte Stadt genug durchfahren. Zusammen bringen wir die Verpackung ins Hotel und verabschieden uns voneinander.

 

 

 

Über den Dächern von Yazd

Direkt danach mache ich mich wieder alleine auf den Weg, zu Fuß. Ich will diese mich bezaubernde Stadt noch ein letztes Mal genießen, ohne ein bestimmtes Ziel loslaufen, mich einfach von den nächsten Reizen durch die engen und verwinkelten Gassen ziehen lassen. Die ganze Stadt scheint zu schlafen, fast alle Geschäfte sind geschlossen, ich sehe selten Menschen. In einem Basar sehe ich eine offene Treppe. Wohin der steil nach oben führende Weg führt, ist nicht klar, deswegen frage ich in einem Geschäft nebenan nach. Der Mann kann kein Englisch, ihm ist aber klar, dass ich die Treppe hinauf will. Deswegen will er Geld von mir. Zum Glück habe ich nur wenig Kleingeld da - er hätte gerne viel mehr - und das ist es mir auch wert. Obwohl ich auch so hätte nach oben gehen können. Die Aussicht von dort oben ist klasse. Anfangs habe ich die Befürchtung, dass mich der Mann bald wieder zurückruft, tut er aber nicht. Ich glaube, er ist zufrieden mit seinem gerade erwirtschafteten Geld und kümmert sich wieder um seine Arbeit. Wahrscheinlich wird er jetzt öfter an der Treppe stehen und Touristen den Zugang für einen guten Preis anbieten. Insgesamt bin ich fast eine Stunde dort oben und laufe die Dächer in alle Richtungen ab. Es ist faszinierend, die Stadt auch mal von oben zu betrachten. Ein großer Teil des Gebiets ist der Basar, Moscheen, aber auch verlassene Häuser - von denen man in meinem Hotel nichts weiß. Diese Gebäude zerfallen, und mit ihnen auch einige Windtürme. Immerhin sieht man so gelegentlich, wie tief der Grund einiger der Gebäude ist. Nicht zuletzt auch aufgrund der unter die Erde reichenden Windtürme, damit die Luft zirkulieren kann. Die Blicke auf die Sehenswürdigkeiten und ins Gebirge von hier aus war die paar Rial auf jeden Fall wert.

 

 

 

Wichtigster Einkauf der Tour

Ehrlich gesagt habe ich etwas Sorge um den Zusammenbau des Rad nach der Ankunft in Basel, denn darin habe ich wenig Übung. Deswegen mache ich jetzt schon die Probe: wieder zusammen- und dann erneut auseinanderbauen. Es klappt. Yaghob hat gemeint, er fahre morgen vielleicht nach Isfahan, weswegen ich ihn anrufe und mich danach erkundige. Er ist sich aber noch nicht sicher und wird mir morgen Bescheid geben. Es wäre sicher viel einfacher, bei ihm mizufahren, denn ansonsten müsste ich von hier ein Taxi zum Busbahnhof nehmen, von dort ein Bus zum Busbahnhof in Isfahan und dann mit einem weiteren Taxi zum Flughafen. Also drei Fahrzeuge. Besonders die Taxis könnten Probleme haben, den Karton mit dem Velo unterzukriegen.

Es wird Zeit mich etwas sehr Wichtiges zu kümmern: den Großeinkauf der weltbesten Süßigkeiten (Sohan) und Gewürze (Zereschk/ Berberitzen). Dabei stelle ich mir erst viel später die Frage, ob ich bei dem Einkauf nicht hätte feilschen sollen oder sogar müssen. Sehr günstig waren auf jeden Fall beide Einkäufe. Außerdem gönne ich mir noch ein Eis, denn dies ist eine alte persische Tradition. Seit dem 5. Jahrhundert gelang dies durch die Yachtschal, kuppelartigen Kühlräumen. Das traditionelle Eis des Landes, Bastani, beinhaltet unter anderem Rosenwasser, Saffron, Vanille und Pistazien.

 

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:54:22

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