Tag 125 - Fahrt zum Weltkulturerbe Persepolis
DO, 30.07.2015 – Fahrt zum Weltkulturerbe Persepolis
Yazd – Schiras
Yazd hinterlässt bei mir einen überwältigenden und angenehmen Eindruck und ist wirklich ein großes Geschenk auf meiner Reise. Eigentlich das ganze Land. Was ich hier sehe und erlebe, macht die außergewöhnlich vielen Anstrengungen und Probleme dieser Tour wieder wett. Und die Wüstenstadt ist einer der wenigen Orte, an dem ich gerne noch länger bleibe würde, ich verlasse sie sehr ungerne. Die letzten Tage meiner Reise will ich wie gesagt in Schiras verbringen. Bisher habe ich mich nicht sehr kundig gemacht über die Stadt, habe aber nur sehr Gutes über sie gehört. In dieser weiteren Wüstenstadt sollen die fröhlichsten und freundlichsten Menschen des Landes wohnen. Und die schönsten Frauen.
Fahrt durch die Wüste
Weil ich heute Abend dort ankommen will, muss ich den ersten Bus des Tages nehmen, nämlich um 8 Uhr. So fahre ich früh hinaus zum Terminal. Der Bus fährt allerdings nicht um 8 los, sondern erst dann, als er genügend Fahrgäste zu haben scheint, nämlich um 8:30. Schon eine knappe Stunde später hält er für gut eine Viertelstunde an, um für die Passagiere ungesunde Nahrung einzukaufen. Das ist übrigens bei den meisten Kiosken des Landes so – sie bieten fast nur zuckerhaltige Getränke, Süßigkeiten und Knabberzeug an. Und die Leute decken sich damit fast noch schlimmer als daheim ein. Wer gerne Marmelade isst, lernt übrigens in fast jedem Hotel Irans eine mir bisher unbekannte Sorte kennen – Karottenmarmelade. Obst, Gemüse und Brot gibt es fast nur in speziellen Läden. Dabei habe ich schon genug Süßwaren, da mir mein Sitznachbar gleich nach der Abfahrt Kaugummis und Kekse angeboten hat und man nach dem dritten Angebot nicht ablehnen sollte. Obwohl ich keines von beiden wollte. Beim erzwungenen Anschnallen merkt man, dass das viele Mitfahrer nie machen. Aufgrund ihres Aussehens und der Kleidung habe ich den Eindruck, als würden die meisten aus Pakistan oder dem dortigen iranischen Grenzgebiet kommen.
Während der ersten Stunde ist die Fahrt interessant, sie bietet eine sehenswerte Landschaften und Ortschaften. In dem trockenen Terrain tauchen immer wieder Striche mit Bäumen und Obstplantagen auf, oft aber völlig verdorrt. Weil der Bus so schnell fährt, ist es leider kaum möglich, schöne Bilder zu machen. Einen befahrbaren Seitenstreifen gibt es hier zwar, bei dem heißen Wetter bin ich aber froh, im Bus zu sitzen. Danach kommt die Wüste. Sie ist aber nicht so eintönig, wie ich sie mir vorgestellt habe. Entgegen meinen Erwartungen gibt es hier immer wieder Büsche und ab und zu sogar kleine Wasseransammlungen. Das liegt daran, dass es in den letzten Tagen laut einem Mitbewohner von Yazd an seinen Aufenthaltsorten immer wieder geregnet hat – er ist gut eine Woche durch den Regen gefahren. Es gibt hier ausreichend schattige Plätze – entweder sind die zugänglichen Büsche hoch genug dafür oder es gibt kleine Unterführungen. Ich bin durchaus schon durch unangenehmere Gegenden gefahren. Auch hier gibt es meist einen gut befahrbaren Seitenstreifen. Ab 12 Uhr macht die Fahrt aber keine Spaß mehr: Die beiden Fernseher werden angeschaltet, es läuft eine Serie mit schlechter Bildqualität und vor allem läuft sie über die Lautsprecher. Noch schlimmer aber ist, dass kurz darauf alle Rollos zugezogen werden, obwohl nirgends die Sonne reinscheint – es ist bewölkt.
Ausstieg in Pasargadae
Bei der Abzweigung nach Pasargadae steige ich aus und fahre ab hier mit dem Velo weiter zum Weltkulturerbe Pasargadae und Persepolis sowie Schiras. Dies wird wohl die letzte „richtige“ Fahrt meiner Tour sein. Von der vor über 2.500 Jahren gegründeten altpersischen Residenzstadt sind noch einige Ruinen erhalten. Diese sind durch eine gut befahrbare Asphaltstraße miteinander verbunden. Für Pasargadae hat sich der Ausstieg nicht wirklich gelohnt. Dafür aber für die weitere Fahrt: Auf dieser Strecke kann man sehr gut fahren, die Landschaft ist sehr reizend und oft verläuft parallel zur Straße die Zugstrecke.
Weiterfahrt nach Persepolis
Weil ich die Direktzufahrt zu Persepolis – anscheinend eher ein Feldweg – nicht finde, fahre ich gut 10 Kilometer zu viel. Kurz vor Persepolis erhalte ich von einer jungen Frau, die mit Mann und Familie im Auto ist, ein dreimaliges Angebot, bei ihnen zu übernachten. Das muss ich aber ablehnen, da ich heute – dank dem Rückenwind – unbedingt noch in Schiras ankommen will.
Nach wenigen Jahrzehnten wurde die altpersische Residenz von Pasargadae ins südwestliche Persepolis verlegt. Der griechische Name bedeutet „Stadt der Perser“, auf persisch heißt die Stadt „Tacht-e Dschamschid“. Nach gerade mal 200 Jahren, 330 v. Chr. zerstörte Alexander der Große die Stadt, die inzwischen zum Teil wieder aufgebaut wurde und Weltkulturerbe ist. Bisher war ich selten so von einer archäologischen Stätte beeindruckt wie hier.
Ärger auf der Straße
Da ich einen Umweg gefahren bin und hier längere Zeit verbracht habe, wird es etwas knapp mit dem Erreichen von Schiras, bevor es dunkel wird. Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Denn heute begegnen mir im Iran zum ersten Mal einige Leute, die mir unangenehm sind: zwei junge Autofahrer, die neben mir herfahren, blöde Kommentare abgeben und mich filmen. Sie hören damit auch nicht auf, obwohl ich deutliche Signale gebe. So halte ich an, damit ich Abstand von ihnen gewinne. Sie fahren aber nur langsam weiter und halten dann sogar ebenfalls an. Schließlich überhole ich sie, während sie weiter filmen. Dann mache ich ein Foto von ihnen, der Fahrer nimmt es gelassen, der Beifahrer regt sich darüber ziemlich auf. Wahrscheinlich, weil er merkt, dass ich dies nicht aus Freundschaft mache, sondern weil sie mich nerven. Sie fahren danach zwar vor mir, aber ziemlich langsam und ich bin nicht sicher, ob sie nicht bald wieder anhalten. Die Weiterfahrt ist sehr unangenehm, weshalb ich ziemlich Gas gebe. Und ich bin sehr froh, dass ich bald durch ein anderes Auto, welches mit gleichem Tempo fährt, „Geleitschutz“ habe. Darin ist eine Familie, bei denen vor allem die Kinder an mir interessiert sind.
Ankunft in Schiras
Der Weg ist doch länger als ich gedacht habe, vielleicht auch durch den Weg über Persepolis. Vor allem nervt, dass es die letzten 25 Kilometer bergauf und bergab geht, vor allem ersteres. So geht nach fünf Stunden Fahrt der bisherige Rekordwert an Durchschnittsgeschwindigkeit von 26 km/h verloren. Wenigstens ist auf fast der ganzen Strecke ein Seitenstreifen, auf dem ich gut fahren kann. Und die Straße ist zum Glück beleuchtet, was die Fahrt angenehmer macht und mich außerdem vor dem Licht der unzähligen Autos schützt, die aus der Stadt herausströmen. Vom Norden her komme ich kurz vor 11 in die Stadt, wo auf den Grünflächen um das Korantor und der begrünten Verkehrsinsel Familien weilen. Also einiges später als erwartet, aber immerhin habe ich es geschafft. Das Korantor hat man in diesem Nadelöhr vor einigen Jahren wegen dem starken Verkehr übrigens um ein paar Meter versetzt. Dies soll der letzte neue Ort meiner Reise sein, ab jetzt gibt es nur noch die Rückfahrt zum Flughafen Isfahans. Und das natürlich mit dem Bus. In einem großen Kreisverkehr bleibe ich stehen und wirke wohl etwas verloren. Denn nach einigen Sekunden hält ein Auto mit dem jungen Paar Shiva (22) und Saeid (28) an, die mich gleich einladen, bei ihnen zu übernachten. So fahre ich – bei angenehmem Tempo – hinterher und lande nach etwa 20 Minuten bei starkem Verkehr und Stau bei ihnen. Selbst in der Stadt ist es kaum hügellos.
Shiva und Saeid haben sich vor zehn Jahren kennengelernt, geheiratet haben sie vor einem Jahr. Sie ist übrigens die erste Frau, die daheim bei meiner Anwesenheit ihren Schleier ablegt. Auch wenn von daheim bis in die östlichste Türkei viele meinen, dass die Frauen im Iran unterdrückt werden, habe ich diesen Eindruck nicht. Ja, sie müssen in der Öffentlichkeit einen Schleier tragen, denn das ist staatliche Pflicht. Allerdings nehmen es viele nicht so ernst. Sie tragen ihn hinter der Kopfmitte und lassen ihr Haar unter der Schulter wieder herausschauen. Ganz wenige haben sogar nur ihr zu einem Knoten zusammengebundenes Haar bedeckt. Auch im Fernsehen und auf Plakaten sehen besonders die jüngeren Frauen „unbedeckter“ aus. Ansonsten machen die Frauen hier einen selbstbewussten Eindruck und es studieren auch mehr Frauen als Männer.