Tag 120 - Fahrt ins armenische Viertel Dschulfa

SA, 25.07.2015 – Fahrt ins armenische Viertel Dschulfa

Isfahan

 

Zum Glück habe ich von meinem Mitbewohner Caspar erfahren, was für die Verlängerung des Visums nötig ist. So bringe ich zwei Kopien meines Reisepasses, zwei Fotos und 300.000 Rial mit zum "Police Department of Alien Affairs/ Passport Office" in der Rudaki Straße. Von einer notwendigen Kopie des bisherigen Visums erfahre ich erst dort, was aber schnell erledigt ist. Alle notwendigen Geschäfte sind direkt vor der Tür: ein Kopierladen und ein Fotogeschäft. Nur für die Bank zur Überweisung der Bearbeitungsgebühr werde ich auf einen recht langen Weg geschickt. Die Bearbeitung meines Antrags wird etwas dauern und ich soll um 14 Uhr wieder auf dem Amt auftauchen. Das passt mir zeitlich ganz gut, um bis dann einige Orte aufzusuchen.

 

 

Armenisches Viertel Dschulfa

So fahre ich ins armenische Viertel (Neu-)Dschulfa. Es wurde 1605 von den aus dem im Nordiran gelegenen Dschulfa zwangsumgesiedelten Armeniern gegründet. Sie wurden schon immer von der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung geachtet und gefördert. Sie vollendeten bis 1664 die Vank-Kathedrale, deren Besuch mir sehr wichtig ist. Der Eintritt zur Vank-Kirche, Museum und dem Mahnmal für den Genozid an den Armeniern kostet gleich viel wie zu den anderen bisherigen Sehenswürdigkeiten. Einen Unterschied gibt es allerdings: bisher haben alle Eintrittskarten gleich ausgesehen, abgebildet war immer Persepolis, welches ich am Ende dieser Tour noch besuchen will. Hier aber ist auf der Karte die Kirche selbst abgebildet. Im Museum sind unter anderem alte Bibeln ausgestellt, die Kirche bietet im Inneren Ikonen und Wandmalereien.

Gleich nebenan gibt es noch weitere Kirchen wie die Bedchem-/ Bethlehem-Kirche und die St. Maria-Kirche. Die Bauart der Kirchen unterscheidet sich stark von der in Armenien. So sind Kirchtürme nicht mehr spitz, sondern haben runde Kuppeln – so wie die Moscheen. Der Baustil ist also eine bunte Mischung zwischen dem persischen und dem armenischen. Neben den Kirchen unterscheidet sich das alte Viertel auch sonst von den mir bekannten Ansichten Isfahans. So stehen hier meistens zweistöckige Häuser. Ausserdem sind hier wie in anderen Vierteln viele alte Gebäude, darunter auch Sakralgebäude, am Zerfallen und von Mauern umgeben.

 

 

Partnerstädte Freiburg – Isfahan

Weil ich schon die weite Strecke gefahren bin, will ich auch ein Foto von der in der Nähe liegenden „Freiburg Ave.“ (فرایبورگ) machen. Hierzu muss ich mich wieder etwas durchfragen. Da es aber eine etwas größere Straße ist, kennt man die Straße. Jedenfalls eine junge Frau, die gut Englisch spricht. Die vielen Herren sind zwar nett und wollen helfen, können mir aber keinen entscheidenden Rat geben. Besonders ansehnlich ist die Straße nicht, aber mit der Isfahanallee in Freiburg kann sie es auf jeden Fall aufnehmen. Danach fahre ich kreuz und quer durch kleine Seitenstraßen – Zeit und Interesse scheinen ja vorhanden zu sein. Meine Ankunft beim Passport Office ist jedoch zu spät: es schließt nämlich schon um 13 Uhr, ich soll also morgen früh wieder erscheinen.

Somit habe ich bei dieser Tour nach Innsbruck die zweite offizielle Partnerstadt Freiburgs mit dem Rad er-fahren. Mit den Partnerstädten Isfahans war ich bisher allerdings erfolgreicher: In Freiburg bin ich bei dieser Tour ja gestartet, bin dann nach Iași (Rumänien), auf das ich wegen der Partnerschaft aufmerksam geworden bin, bin danach zum zweiten Mal durch Istanbul gefahren. 2005 bin ich nach St. Petersburg geradelt und meine erste Tour war 2004 nach Barcelona. Insgesamt also fünf Partnerstädte Isfahans. Nach Jerewan (Armenien) wollte ich bei dieser Tour auch noch, es hat aber zeitlich nicht gereicht.

Auf dem Rückweg fahre ich zur 33-Bogen-Brücke. Ein spätes Mittagessen gönne ich mir im „Kentucky House“, denn ich habe keine Lust, wieder nach kleinen Fast-food-Läden zu suchen, dort keine gute Auswahl zu haben und am Schluss nicht mal satt zu sein.

 

 

Abend an der 33-Bogen-Brücke

Im Hostel lerne ich Ashwant (22) kennen. Er kommt aus Amsterdam und ist nur für wenige Tage im Land, um dann wieder zurückzufliegen. Seine Entscheidung, ausgerechnet in den Iran zu fliegen, war sehr spontan. Er würde auch mal gerne nach Dresden, wovon ich ihm aber abrate. Die Nachrichten, die ich von dort aus der Presse und mir bekannten Einwohnern erhalten habe, sind seit einigen Jahren nicht sehr erfreulich. Besonders nicht deshalb, weil Ashwant dunkelhäutig ist, seine Eltern kommen aus Indien. Und weil es dort ausgerechnet in den letzten Tagen von einigen Bewohnern wieder rassistische Aktivitäten gegeben hat. In diesem Zusammenhang klingt es noch abstruser, wenn einem gesagt wird, der Iran sei gefährlich.

Am Abend gehe ich mit Ashwant zur 33-Bogen-Brücke. Zu dieser späten Stunde sind noch viele Kinder wach, die mit ihren Eltern einkaufen oder ebenfalls zur Brücke gehen. Wir genießen es, dass der Fluss unerwartet Wasser führt und laufen direkt an der Brücke von der einen auf die andere Seite, wobei wir lange nicht die Einzigen sind, die sich diese Freude machen. Uns fällt natürlich auf, dass wir ziemlich die einzigen ausländischen Touristen sind. Wir gehören zudem zur Minderheit, die ihre Schuhe auszieht, bevor sie durchs Wasser läuft.

Auf der Brücke sitzend und den Fluss beobachtend unterhalten wir uns darüber, was sich in diesem Land wohl wie ändern wird, wenn die Sanktionen gegen den Iran fallen gelassen, die wirtschaftlichen Aktivitäten steigen und die Leute mehr Geld haben werden. Wir sind uns einig darüber, dass so etwas nicht nur gute Seiten haben kann: mehr Materialismus, weniger Gastfreundschaft. Werden die Kinder dann immer noch freundlich und interessiert zu Touristen wie uns kommen?

An alle Touristen unter euch: gebt den Kindern auf keinen Fall Geld, egal, wo ihr hingeht. Denn Leute wie ich können es dann ausbaden, welches Verhalten ihr bei den Kindern fördert: Fremde anbetteln. Urlaub macht dann für Radfahrer wirklich keinen Spaß mehr. Dass man sich im Urlaub dann plötzlich auf der Flucht befindet, habe ich ja schon von meinen Aufenthalt in der Südosttürkei berichtet.

 

 

 

 

Video

Heute gibt es endlich mal wieder ein Musikvideo. Und zwar ein unter der Si-o-seh pol (33-Bogen-Brücke) aufgenommenes:

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:52:08

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