Tag 119 - Ankunft am Ziel
FR, 24.07.2015 – Ankunft am Ziel
Kahrizsang – Isfahan
Fahrt nach Isfahan
Am Morgen kommen Parvas Freunde, die Brüder Muhammad und Qaem, an. Velo und Gepäck packen wir in den Kofferraum und fahren zusammen mit Fatima nach Isfahan. Zuerst natürlich zum Naqsch-e Dschahān („Abbild der Welt“), einem der grössten öffentlichen Plätze weltweit, der schon seit 1979 zum Weltkulturerbe zählt. Der Platz wurde mit seinen umliegenden Gebäuden um 1600 erbaut. Durch die Bauart – doppelstöckige Arkaden verbinden alle Gebäude miteinander – sind hier verschiedenste Bauwerke miteinander verbunden: unter anderem die Königsmoschee, Palast und Königlicher Basar. Letzterer ist heute geschlossen, da Freitag ist, dafür ist ein kleinerer geöffnet. Um einen besseren Überblick zu erhalten, mache ich das beste, was ich machen kann: Ich fahre den Platz mit meinem Velo ab. Die einmalige Chance muss ich nutzen, schließlich habe ich es von daheim hierhergefahren. Dies ist einer der Momente, wo ich mich anderen gegenüber deutlich im Vorteil sehe und es auch genieße. Die anderen Touristen umrunden den Platz übrigens oft mit einer Pferdedroschke. Es ist heute trotz angenehmem Wetter kaum etwas los auf dem Platz und nur wenige Touristen scheinen aus dem Ausland zu sein. Auf dem Platz gelingt auch eines der wichtigsten Dinge einer solchen Tour: ein gutes Foto sowohl für die Headline meiner Internetseite wie auch für die Presse. Zusammen setzen wir uns unter einen schattenspendenen Baum und gönnen uns Fastfood.
Danach gehen wir in die Königsmoschee (Masdsched-e Emām), wo gerade Freitagsgebet ist. Normalerweise soll hier wohl viel mehr los sein. Das ist laut Muhammad auch der Grund dafür, dass in solchen Situationen die Lautsprecher lauter aufgedreht werden: Damit erhofft der Prediger, mehr Betende anzulocken. Für einen Moment überlege ich, ob ich nicht auf dem Platz übernachten soll, verboten ist es laut Muhammad nicht. Sicher würde ich mich hier fühlen, aber ich ziehe es doch vor, später ein Hostel zu suchen, da ich dort auch eine Dusche haben werde. Muhammad und ich verstehen uns von Anfang an sehr gut und haben einige Gemeinsamkeiten. Eine davon ist, unseren Urlaub lieber damit zu verbringen, die Ortschaften und Landschaften zu betrachten, als uns stundenlang damit zu beschäftigen, Geschenke für Freunde und Verwandte zu besorgen.
Überraschung: der Fluss führt Wasser
Wir laufen weiter, vorbei an einem Palst und Gärten. So gelangen wir zum über 1,5 Kilometer langen, mit großen und zahlreichen Bäumen geschmückten Hauptboulevard Tschahār Bāgh. An der U-Bahn baut man hier schon seit zwanzig Jahren, kommt aber nicht wirklich vorwärts. Weiter geht es zur Si-o-seh pol (33-Bogen-Brücke), die über den Stadtfluss Zayandeh Rud führt. Dieser strömt vom Zāgros-Gebirge hierher und fließt weiter in ein Sumpfgebiet und einen Salzsee. Aufgrund der übermäßigen landwirtschaftlichen Nutzung des Wassers und Industrialisierung führt er hier seit einigen Jahren meist nur im Winter Wasser. Also eine ähnliche Situation wie beim Urmiasee. An beiden Orten ist also etwas Prägendes verschwunden, mit dem die Menschen sich identifizieren konnten, wo sie sich gern aufhielten und das zudem für kühle Luft sorgt. Nun fließt zu meiner Überraschung Wasser, wenn auch nicht überall und nicht berauschend viel.
Unterkunft in einem Hostel
Nach einer schönen gemeinsamen Zeit verabschieden wir uns voneinander. Ich fand es sehr nett, dass sie mir ihre Stadt gezeigt haben und auch Geduld hatten, da ich einige Fotos gemacht habe. Bisher hat sich das Bild, das ich vom Iran hatte, mehr als erfüllt – Interesse an Fremden, Offenheit, Gastfreundschaft, Kulturschätze.
Das Hostel, das ich mir schon vor einigen Tagen im Internet rausgesucht habe, liegt am Tschahār Bāgh. Im 6er-Zimmer sind auch Caspar und Emily aus Manchester. Da die Mutter der Geschwister aus Hannover stammt, haben beide auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die nutzen sie auch, denn ansonsten würden sie gar nicht in den Iran kommen – Engländer erhalten nämlich kein Visum für den Iran. Von einer meiner Ideen rät mir Caspar gleich ab: vom Sonnenaufgang von einem der Hügel um die Stadt, von dem man angeblich einen sehr guten Blick auf die Stadt hat. Denn durch die Distanz und die ganzen Neubauten ist es schwer, das historische Zentrum zu erkennen. Ohne Fernglas ist der Blick wohl doch nicht besonders. Ich glaube ihm, denn es klingt vernünftig und ich kann mir den Weg bergauf sparen.