Tag 116 - Von Ruinen zum Roten Halbmond
DI, 21.07.2015 – Von Ruinen zum Roten Halbmond
Hamadan – Tajarak
Sehenswürdigkeiten in Hamadan
Bevor ich die Stadt verlasse, will ich noch unbedingt auf das Gelände Hagmataneh. Auf dem Weg dorthin sind noch einige Sehenswürdigkeiten. So wartet unter anderem noch ein drittes Mausoleum auf mich: Das von Esther und Mordechai, einer wichtigen Pilgerstätte für Juden. Dass die beiden hier wohl gar nicht begraben liegen stört diese wohl genau so wenig wie die Christen die Tatsache, dass Jesus wohl gar nicht in der Geburtskirche geboren wurde. Hauptsache, man hat einen Pilgerort. Zuerst glaube ich, die Grabanlage sei verschlossen, ist sie aber nicht. Ich stehe nur vor dem falschen Eingang. Ein Fußgänger weist mich darauf hin und ich gehe in eine Nebenstraße. Am Eingang sitzen zwei ältere Herren. Einer davon fragt mich, ob ich hineinwolle und ich bejahe natürlich. Es ist hier nicht wie in einem Museum, wo man an der Pforte Eintritt bezahlt, sondern man wird geführt. Der Mann stellt sich als Rabbiner vor und erklärt mir das Mausoleum. Neben Englisch kennt er auch ein paar deutsche und natürlich hebräische Ausdrücke. Das Mausoleum betritt man durch eine schmale, etwa einen Meter hohe Steintür. Innen sind zwei kleine Gebetsräume, im großen Raum dazwischen stehen die beiden Holzsärge bzw. Kenotaphe ("leere Särge"). Er antwortet auf meine Frage, es gebe in der Stadt nur noch 5 jüdische Familien mit insgesamt etwa 50 Personen. Die jüdische Pilgerstätte wird auch von vielen Muslimen und Christen besucht. Die jüdischen Besucher aus Israel benötigen dafür – in der Regel – aber einen zweiten Pass, also einen nicht-israelischen. Seine Bitte nach einem Kugelschreiber aus Metall kann ich ihm leider nicht erfüllen, ich habe nur welche aus Plastik.
Bevor ich nach Hegmataneh fahre, das sich noch im ersten Kreis der Stadt befindet, muss ich noch Geld wechseln, damit ich beim dritten Versuch endlich genügend Bargeld für den Eintritt habe. Ein Mann führt mich und ich befürchte schon, dass er mich zu einer Bank seines Bruders, Verwandten oder Freundes führt. Dem ist aber nicht so. Er leitet mich zu einer Wechselstube, in der ich einen sehr guten Kurs erhalte. Er will mich sogar noch einladen, ich sage aber dankend ab. Die Leute sind hier wirklich ehrlich. Weiter geht es also nach Hagmataneh. Dies sind Ausgrabungen älterer Stadtteile mit einem Museum und einer Kirche, die aber gerade mal 100 Jahre alt ist. Eine Veränderung erkenne ich aber im Vergleich zu den Fotos, die nicht vor langer Zeit gemacht worden sind: auf dem Turm ist kein Kreuz mehr.
Letzter Abschnitt vor Isfahan
Inzwischen ist mir klar, wie es weitergehen wird bei der Strecke nach Isfahan: Die 530 Kilometer lange Fahrt muss ich zuerst wieder ein bisschen in den Norden, dann in den Osten bis nach Saveh und dann schnurstracks in den Südosten. Berge scheint es keine zu geben. Das ganze will ich in 4-5 Tagen schaffen.
Die Fahrt beginnt gut. Es ist zwar windig, was mich aber nicht stört, ich komme gut voran. Zuerst muss ich in den Nordosten fahren. Bis zur Abzweigung der Autobahn habe ich einen Seitenstreifen, den es danach nur noch auf kurzen Abschnitten gibt. Die Menschen sind hier wie gesagt sehr gastfreundlich. Viele fassen das aber wohl falsch auf und suchen die Nähe zu mir auch auf der Bundesstraße, wo sie sehr nahe an mir vorbeifahren. Wie ich schon geschrieben habe, darf man hier auf keinen Fall ganz rechts fahren, das ist lebensgefährlich. Am besten fährt man mittig auf seinem Fahrstreifen, solange es keinen Seitenstreifen gibt. Aber selbst das kümmert einige LKW-Fahrer wenig. Sie fahren einfach mit Vollgas weiter auf der rechten Spur und hupen heftig. Da kann man nur in den Sandstreifen ausweichen. Es wäre also sicherer, auf der Autobahn zu fahren. Am besten fährt man hier überhaupt nicht. Das ist mir auch klar, als ich sehr oft sehr tief und meine Fluch- und Beschimpfungskiste greife. Und Pause kann man auf der Strecke auch kaum machen. Bei so gut wie jedem Schattenangebot ist keine 100 Meter entfernt eine Person, die sicher auf einen zukommt und einen anspricht. Wirklich nett eigentlich, aber ich brauche auch mal meine Ruhe. Der Verkehr ist anstrengend genug. Vor allem hat es wieder heftigen Gegenwind. Aber es ist weder dieser noch die Strecke an sich: Die Autos sind ausschlaggebend, dass ich keine Lust mehr habe. Ich habe keine Lust, mein Leben auf den letzten Kilometern meiner Tour aufs Spiel zu setzen. So will ich bei der nächstmöglichen Gelegenheit den Bus nach Isfahan nehmen. Echt schade. Es wurde mir schon einiges bei der Tour vermasselt, jetzt auch noch die Einfahrt nach Isfahan. Und das nicht mal wegen dem vielen Verkehr wie in Istanbul oder Ankara, sondern weil die Fahrt hier unsicher ist.
Es tröstet zwar nicht ungeheuer, aber meistens war es nicht meine Schuld, dass vieles bei der Tour nicht geklappt hat. Immerhin werde ich so wohl genügend Zeit haben, meine restlichen Ziele in Iran mit dem Bus abzufahren. Eine „echte“ Radtour war es aber nicht in meinem Sinne. Die Strecken in Aserbaidschan/ Nachitschewan, Armenien und im Norden des Iran habe ich ganz ausgelassen und nun nicht mal die minimalen 7000 Kilometer erreicht – eigentlich hätte es bis zu 12.000 Kilometer werden können.
Spontane Unterkunft beim Roten Halbmond
Beim Roten Halbmond (entspricht in islamischen Ländern dem Roten Kreuz) in Tajarak winken mir zwei junge Männer zu und ich fahre zu ihnen. Ich will sie eigentlich nur fragen, wo es denn ein Hotel gebe und wo der nächste Bus Richtung Isfahan fahre, da es eben keinen Seitenstreifen, dafür viel Verkehr gibt. Sie sagen mir gleich, ich könne hier schlafen. Sehr gerne, da ich heute nicht weiter gegen den Wind kämpfen will. Von Hamid erfahre ich, dass es von hier keinen Bus gibt, der nächste wäre im etwa 100 Kilometer entfernten Saveh. Für die Weiterfahrt bleibt mir also nur die Möglichkeit, morgen sehr früh loszufahren, um hoffentlich mit wenig Verkehr Saveh zu erreichen, um von dort den Bus nach Isfahan zu nehmen. Gleich darauf gibt es Abendessen und ich erhalte noch eine ausgiebige Rückenmassage. Ziemlich alle haben hier übrigens Aserbaidschanisch als Muttersprache, was sie als Türkisch bezeichnen.