Tag 113 - Spontane Fahrt zur Grotte Ali Sadr

SA, 18.07.2015 – Spontane Fahrt zur Grotte Ali Sadr

Bidschar – Ali Sadr

 

Ismael und seine Frau sind phantastische Eltern, der Bub Jussef (2) hängt aber viel mehr am Vater, was ich sehr selten erlebe.

Meine geschwollenen Füße sind inzwischen wieder im Normalzustand.

 

Zoroastrismus

Was ich schon vor meinem Aufenthalt erfahren habe, bewahrheitet sich hier: Der etwa 3000 Jahre alte Zoroastrismus ist immer noch Teil der iranischen Kultur und Bewusstseins, oft sieht man das Symbol der Religion, den Faravahar. Für viele hat sie eine sehr bedeutende Rolle in ihrem Leben – auch, wenn sie bekennende und aktive Muslime sind oder mit Religion gar nichts anfangen können. Im Mittelpunkt stehen hier gutes Denken, gute Worte und gutes Handeln. Das erinnert mich an das römisch-katholische Christentum, bei dem man auch christliche und vorchristliche Elemente miteinander verbunden werden, wie zum Beispiel Weihnachten nahe der Wintersonnwende.

 

 

Fahrt

Kurz nach dem Start werde ich von mehreren Hunden verfolgt, aber nicht lange. Darauf lege ich mir zur möglichen Verteidigung zuerst eine Holzlatte zu, dann einen Ast. Das belgische Pärchen, das ich auf der Busfahrt nach Erzurum getroffen habe, hat gemeint, das wäre die beste Möglichkeit. Nach einer Viertelstunde schmeiße ich ihn wieder weg, bisher hat es ja auch ohne geklappt.

Eine Stunde lang habe ich starken Gegenwind und mache selten Pause. Es gibt nämlich keine Plätze dafür. Einen davon finde ich aber unter dem schmalen Schatten eines durchgesprengten Felsens direkt an der Straße. Der Schatten reicht gerade aus, damit ich mich hinsetzen kann, kurz vor meinen Knien ist es schon wieder sonnig. Danach wird es aber besser: mehr Wolken, dafür aber mehr Wind. Deswegen habe ich wieder heftige Knieschmerzen.

Dann gibt es Rückenwind, dann eine starke Abwechslung der Windrichtungen. Sonne und Hitze wären mir da lieber.

 

 

Liebenswürdige Bekanntschaften

Als ich für eine weitere Pause an einer Bushaltestelle stoppe, hält keine fünf Minuten später ein Auto und Mohamed (38) steigt aus. Kurz darauf hält ein weiteres Auto mit zwei jungen Pärchen aus Teheran (alle zw. 20 und 30), die mir Wassermelone anbieten. Alle haben nur angehalten, um sich mit mir zu unterhalten und sind sehr interessiert an meinem bisherigen Eindruck vom Land und freuen sich, dass er so positiv ist. Sie schenken mir außerdem Wasser und süße Getränke, dazu noch Becher. Ich könnte sogar getrocknete Früchte, einen dicken iranischen Jahreskalender und eine Luftpumpe mitnehmen, aber ich lehne dankend ab, weil ich keinen Platz dafür habe.

Danach kommt für ca. 15 Kilometer eine ungeteerte Strecke, bei der ich mich auf die linke Spur begebe, damit der Wind mich nicht mit dem ganzen Staub vollbläst. Als ich diese hinter mich gebracht habe, fährt mir der junge Sardar (ca. 18) mit dem Motorrad hinterher und ich halte an. Gestern hat er von einem Freund erfahren, dass in Bidschar, wo ich gestern geschlafen habe, ein Tourist mit dem Rad unterwegs sei, was wohl ich gewesen bin. Dass er mich heute zufällig trifft, nennt er ein Geschenk Gottes. Er lädt mich einige Male zu sich zum Essen und zur Übernachtung ein, aber ich muss dankend ablehnen, weil ich einfach weiterfahren muss. Leider, denn das Angebot würde ich gerne annehmen. Aber aufgrund der ungewollt vergeudeten Zeit in der Türkei muss es jetzt weitergehen. Wir haben ein gutes Gespräch. Im Fussballverein kann er nicht mitspielen, da seine Familie kein Geld für die Mitgliedschaft hat. Er schaut aber ab und zu im ZDF Fußball. Und dass Frauen nicht zum Zuschauen von Spielen des Frauenvolleyball gehen dürfen, findet er ungerecht. Für sich selbst sieht er keine große Zukunft in dem Dorf, das sich hinter dem Berg befindet. Sehr gerne würde er Deutschland und Frankreich besuchen. Bei sich in der Klasse war er der beste in Englisch und kann es auch einigermaßen gut. Generell bin ich im Iran oft begeistert von den Englischkenntnissen. Da habe ich in Spanien und der Türkei schon viel schlechtere Erfahrungen gemacht.

Von den weiteren zahlreichen netten Essens- und Übernachtungsangeboten kann ich leider  keines annehmen, da ich noch unbedingt noch Ali Sadr erreichen will. Übrigens ein Ziel, das mir erst vor ein, zwei Tagen in den Sinn gekommen ist.

 

Kontakte generell

Die eine Hälfte der Kontakte erkundigt sich nach meiner Herkunft, die andere Hälfte fragt gleich, ob ich aus Deutschland komme. Aber beide Gruppen freuen sich sehr über meine Antwort.

In den letzten Gesprächen wurde ich weder nach Fußball, Autos oder Adolf Hitler gefragt. Sondern eher nach meinem Beruf und Familie und meiner Vorstellung vom Iran, was ich von den Leuten hier halte. Es sind also sehr angenehme und offene Gespräche.

Erst sagen mir manche, die Kurden und die Deutschen seien ein Volk. Dann sind es die Perser und die Deutschen. Ich weiss aber nicht genau, was sie mir damit sagen wollen. Wenn man die Geschichte der Deutschen anschaut, sind diese eine bunte Mischung. Nicht nur in Bezug auf die Herkunft, sondern auch mit den Ansichten. Wahrscheinlich ist es nett gemeint, aber ich kann nicht viel damit anfangen, wenn man alles über einen Kamm schert.

Einen deutlichen Unterschied gibt es aber: Hier sind bei den meisten Paaren die Männer zwischen 5 und 15 Jahre älter als die Frauen, bei den Deutschen sind es meiner Schätzung nach zwischen 2 und 5.

 

Unterkunft mit vielen Missverständnissen

Leider habe ich vergessen, dass heute und morgen wegen dem Ende des Ramadan Feiertage sind. Das ist mir spätestens zu dem Zeitpunkt klar, als auf der Nebenstrecke nach Ali Sadr Einiges mehr los ist als auf allen bisherigen heutigen Strecken. Die letzten Kilometer dorthin sind mühsam. Nicht, weil ich müde bin, sondern wegen dem starken Verkehr. Dort angekommen, esse ich zuerst in einem Schnellimbiss. Ich komme ins Gespräch mit einer Familie und frage sie nach einem Hotel, da ich dort gerne ein paar Sachen regeln würde. Der Mann bzw. Vater sagt, das einzige Hotel vor Ort sei wohl ausgebucht. Das glaube ich auch, ohne mich dort zu erkundigen. Das nächste Hotel sei in Hamadan, also noch etwa 60 Kilometer entfernt. Übrigens trägt er wie seine Frau und viele verheiratete Iraner überhaupt keinen Ehering. Der liegt daheim.

Vor der Tür bietet mir ein junger Mann dafür eine Suite für 1 Million Rial (ca. 30€) an, was etwas mehr ist als in den bisherigen Hotels. Deswegen sage ich auch nicht gleich zu. Während ich überlege, kommt ein noch jüngerer Mann auf mich zu und will ein Foto mit mir und dem Fahrrad machen. Kein Problem. Zufällig bietet er auch Übernachtungsmöglichkeiten an und stand zuvor mit einem entsprechenden Schild da, will nur 300.000. Ich sage zu, da ich dem jungen Mann vertraue. Mit einer Unterhaltung wird es aber nichts, da er wohl kein Englisch spricht und dazu fast stumm ist. Irgendwie passt das auch zu dem, was ich vorher erlebt habe: Die Angestellten im Imbissladen haben sich mir gegenüber auch stumm gestellt und sich nur mit Gestik mit mir unterhalten, weil sie kein Englisch sprechen. Bisher ist mir das noch nicht im Iran passiert, sonst wo auch nirgends auf meinen Reisen.

So gehe ich mit ihm mit, fort von der Riesenmenge. Übernachten kann ich aber nicht in einem eigenen Zimmer, sondern mit in seinem. Na ja, für den Preis ist das ja noch in Ordnung. Allerdings läuft das Wasser nicht und im Badezimmer riecht es ziemlich nach Urin. Der demente Opa stört mich nicht, aber die ganze Familie scheint ein wenig von seinem Geschäft zu leben. Ob oder wie sie miteinander verwandt sind, weiss ich nicht. Um kurz nach 11 soll übrigens noch ein weiterer Gast kommen. Die Gastfreundschaft und Offenheit hört eben da auf, wo es ums Geschäft geht, auch im Iran. Alle Orte mit viel Tourismus haben eben auch ihre negativen Aspekte, weswegen ich auch nicht mehr ganz so scharf auf sie bin. Ich bin deswegen auch jetzt schon ein bisschen abgeschreckt von Isfahan und Schiras, den Touristenmetropolen des Landes. Eigentlich bin ich wegen ihnen gekommen, aber erstens sind es Großstädte und zweitens sind dort wahrscheinlich Massen an Touristen, auch inländische. Vielleicht beende ich dann die Touren mit dem Rad und werde den Bus nehmen.

Bin mal gespannt, wie es morgen früh aussieht bei den Massen an Touristen – die kleine Stadt ist vollgestopft mit Autos, die alle in die Höhle wollen. Falls es zu voll ist, würde ich den Besuch einfach auslassen und weiter nach Hamadan fahren. Das wäre zwar schade, aber ich bin kein Fan von Stressferien. Und davon habe ich schon genug gehabt.

Der für später angekündigte Gast ist übrigens nur jemand, der sehr gut Englisch spricht, einige Unklarheiten klärt und dann wieder verschwindet. So sagt er auch, dass ich alleine in dem Zimmer schlafen kann.

Für alle, die gerne fotografieren: stellt bitte euren Blitz ab, wenn ihr Aufnahmen von Menschen macht. Vor allem tagsüber. Die Fotos machen sonst nämlich einen sehr unnatürlichen Eindruck.

 

 

 

 

Video

Heute ein Video mit dem typischen Klang, der mich bei einem Großteil der Tour begleitet hat. Der LKW, der aus der gleichen Richtung wie der Wind kommt hat mich durch seinen Sog beinahe umgeschmissen:

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:50:28

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