Tag 107 - Fußball, Autos und Adolf Hitler

SO, 12.07.2015 – Fußball, Autos und Adolf Hitler

Mahabad – Shahin Dezh

 

Da die Jungs um 6:30 alle in Militäranzügen aus dem Haus müssen, stehe ich ebenfalls sehr früh auf. Es ist somit der früheste Start meiner bisherigen Tour. Hinter Mahabad fahre ich zuerst zu einer Tankstelle, wo ich mich im Verborgenen problemlos mit Sonnencreme einreiben kann. Tankstellen gibt es hier lange nicht so viele wie in der Türkei und es gibt oft Warteschlangen.

 

 

Fahrt nach Bukan

Das ursprünglich für heute geplante Ziel – Takab – werde ich wohl erst morgen erreichen. Deswegen habe ich heute genügend Zeit, mache am Morgen sehr viele Pausen, die wegen den vielen Anstiegen und der Hitze auch notwendig sind. Nach Bukan werde ich auch nicht wie geplant in den Süden, sondern in den Westen fahren, um nach Takab zu kommen. Dieser Weg ist kürzer und scheint weniger anstrengend zu sein. Aber erst mal geht es bergauf und ich schwitze nach einer halben Stunde – trotz der noch angenehmen Temperatur – mehr als seit über zwei Wochen nicht mehr. Dir Landschaft erinnert mich mit ihrem Vulkangestein an die Türkei. Aber doch gibt es Unterschiede: Vielleicht ist es schon manchen an den Bildern aufgefallen – mindestens ein Drittel, wenn nicht sogar die Hälfte der Männer meiner bisherigen Fahrt im Iran trägt Hüte. Meistens sind es Strohhüte, ansonsten traditionelle Kopfbedeckungen. Vor allem aber die durchaus spürbarere Gastfreundschaft und etwas andere, ansehnlichere Architektur. Ein sehr bedeutender Unterschied ist wie gesagt auch die sehr hohe Temperatur.

Hier gibt es teilweise eine sehr hohe Ausprägung des Helfersyndroms. An einem Kiosk berät mich ein Mann nach einigen Anrufen, wo es eine Touristeninfo gibt. Angeblich im nächsten Dorf, wozu ich aber ein paar Kilometer vom Weg abkommen müsste. Dabei brauche ich momentan gar keine Unterstützung, man kann hier wirklich schlecht den Weg verfehlen. Am Mittag gehe ich spontan in eine grüne Oase, wo ich anderthalb Stunden schreibe, schlafe und esse. Daheim verzieht man sich hinter die Bäume und in die Büsche, um anderen Bedürfnissen und Vergnügen nachzugehen, bei mir geht es nur ums Essen und Trinken.

Durch die kurdische Stadt Bukan fahre ich nur kurz durch, da ich jemanden finde, dessen Auto ich nur zu folgen brauche. Danach bin ich erst mal am Ende und setzte mich vom Auto ab, um eine Weile bei Verkaufsständen vor einem Hospital zu bleiben. Für die Getränke brauche ich nicht zu bezahlen, die werden mir hier geschenkt. Die Leute hier wie auch die Bekanntschaften auf den Straßen betonen übrigens alle, dass sie kurdisch sind.

 

 

Strecke bis Shahin Dezh

Die Strecke ist schön, aber hügelig und vor allem ist der Straßenbelag hier oft sehr mangelhaft. In Shahin Dezh halte ich an einem Kiosk an, nachdem ich zuvor vor vier jungen Männern in einem Auto geflüchtet bin. Auch wenn sie mir ein Übernachtungsnagebot gemacht hätten, ich kann es einfach nicht haben, wenn sich junge Männer wie Spätpubertierende verhalten, komische Witze machen, herumalbern. Schließlich lädt mich ein junger Mann (ca. 28) zu sich und seiner Familie ein. Das Angebot nehme ich gerne an, obwohl ich eigentlich in einem Hotel übernachten will – dieses hat angeblich aber keinen Internetanschluss. So folge ich seinem Auto, verwechsle es aber zwei Mal. Denn für mich sehen die hier fast alle gleich aus – weiß und ähnlicher Baustil. Dies ist hoffentlich das letzte Mal, dass ich einem Auto folge, das mir den Weg zeigen will. Er ist zwar gut gemeint und meistens ein direkter Weg zum Ziel. Aber es ist anstrengend. Denn die meisten Autos fahren zu schnell, man kann zwischendurch nicht mal etwas nachfragen. Am Ende dieser Touren bin ich in der Regel total verschwitzt, kaputt und nicht unbedingt gut gelaunt.

 

 

Zu Deutschland fällt mir ein...

Wieder kommt die Frage „Wie findest du Hitler?“. Nachdem ich vieles erklärt und einige Gegenfragen gestellt habe, wird mir gesagt, dass dies nur ein Gesprächsanfang sein sollte. Denn vielen Iranern fällt wohl nicht mehr zu Deutschland ein ausser Fussball und Automarken. Wie denn auch? Angeblich wird der 2. Weltkrieg und Hitler sehr lange im Schulunterricht behandelt, allerdings kaum mit so einem kritischen und vor allem realistischen Hintergrund wie bei uns, sondern eher als Vorbild. Übrigens sind die Iraner nicht die einzigen, die mit Deutschland nur diese drei Punkte verbinden. Mit den Engländern zum Beispiel sieht es nicht viel anders aus. Nur dass die Engländer sich in Gesprächen seit wenigen Jahren immerhin auf Fußball und Autos beschränken.

Er fragt mich auch, was man denn aus der Stadt machen könne. Ich erwähne gleich den Zarriné-Rūd („Goldener Fluss“), der mir sofort mit seinen Biegungen und Inseln aufgefallen ist. Er und seine Frau geben mir Recht. Sie sehe ich übrigens nur im – stark zurückgeworfenen – Schleier und sie schläft heute auch nicht im Ehebett, sondern eine Etage über uns bei anderen Familienmitgliedern.

Übers Ausland informiert man sich hier hauptsächlich durch TV-Serien und Spielfilme. Und die sind meistens aus Hollywood. Irgendwoher kenne ich das. Somit herrscht auch hier ein wirklichkeitsfremdes Bild von Deutschland – genauso wie umgekehrt. So werde ich gefragt, ob es stimme, dass Deutsche vom Staat die Hälfte des Preises bezahlt bekommen, wenn sie ein deutsches Auto kaufen.

Von 1 bis 7 ist der Wireless-Internetzugang im Iran übrigens kostenlos, deshalb oft überflutet. Gesperrt sind aber zum Beispiel Seiten für Videos (Youtbe) oder soziale Netzwerke (Facebook). Die kann man zwar entsperren, was den Rechner aber deutlich langsamer laufen lässt. Mal schauen, ob ich da noch eine Lösung finden werde.

 

Trinken

Kommt besser nicht während des Fastenmonats Ramadan in islamische Länder. Vor allem nicht, wenn dieser im Sommer stattfindet. Im Iran macht man sich strafbar, wenn man in dieser Zeit öffentlich isst oder trinkt. Ansonsten ist es – zum Beispiel in der Türkei – in konservativen Gebieten nicht verboten, aber verpönt. Wenn ihr also mit dem Rad unterwegs seid, ist es grausam – vor allem wenn man wie jetzt 10 Liter pro Tag trinkt. Mit dem Bus ist es vielleicht sogar noch schlimmer, da man da auch sehr schwitzt und sich nirgends verstecken kann. Bisher habe ich aber Glück gehabt und besonders im Iran sehr viele Leute getroffen, die mir von sich etwas anbieten und denen klar ist, dass ich ohne Trinken schlecht über die Runden komme. Vor allem sehen sie die Fastenzeit für sich selbst auch nicht besonders streng.

 

 

Die Fahrt läuft endlich mal gut. Seitdem ich hier bin, habe ich so gut wie nie Gegenwind. Nur die Berge wie oben erwähnt. Dafür habe ich ab Mittag Rückenwind. Und zwar egal, in welche Richtung ich fahre, auch bergauf.

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:49:00

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