Tag 106 - Iranische Gastfreundschaft

SA, 11.07.2015 – Iranische Gastfreundschaft

Urmia – Mahabad

 

Wie gesagt, im Urmiasee gibt es so gut wie kein Wasser mehr. Für die Stechmücken reicht es aber noch. Meine Füße sind übersät mit Stichen und sie werden in den nächsten Tagen ziemlich anschwellen.

 

 

Zur Fahrt

Gestern Abend habe ich meinen bisherigen Plan, der bis kurz vor Isfahan keine festgelegten Haltepunkte vorsieht, etwas ausgearbeitet. Der neue Tacho ist doch ziemlich einfach zu bedienen. Allerdings muss man ihn erst mal einschalten, bevor er läuft, was ich natürlich öfter vergessen werde. Und wenn man ihn von der Halterung abnimmt, läuft die bisher gefahrene Zeit einfach weiter. Dafür sind die Straßen im Iran bisher gut bis sehr gut. Weiter geht die Fahrt in den Süden, wieder entlang des Urmiasees. Beim Bergauffahren merke ich, dass mir durch die zwei Wochen Zwangspause die Kondition und die Kraft in den Oberschenkeln etwas fehlt. Im Ex-See treffe ich auf Schafhirten, deren Schafe an einer kniehohen Pfütze stehen. Die kommt aber nicht vom Regen, sondern von den Plantagenbewässerungen. Die laufen hier übrigens sehr verlustreich tagsüber und tropfen von oben herunter auf die Blätter. Macht man das noch in Deutschland?So heiß wie jetzt war es auf der ganzen Tour noch nicht. Je nach Strecke mache ich alle 15-20 Minuten Pause, um etwas zu trinken und mich vor der Sonne zu schützen. Insgesamt trinke ich während der heutigen Fahrt locker 10 Liter, je nach Gelegenheit und Bedarf gerne mal 1,5 Liter in wenigen Minuten. Zur Abwechslung trinke ich dann nicht nur Wasser, sondern kaufe mir auch Frucht- und Zuckergetränke.

 

 

Zur Gastfreundschaft

 Öfter werden mir Getränke geschenkt. Jedem ist klar, dass ich bei einer Fahrt bei diesen Temperaturen einen enormen Wasserbedarf habe. Nicht vergessen: es ist Ramadan.

- Beim Überholen reicht mir ein Beifahrer eine halbe Flasche "Cola".

- Beim Anhalten an einer Autowaschanlage werde ich ins Büro eingeladen, die Klimaanlage wird noch weiter runtergedreht auf 17°C, ich kann eine ganze Flasche (1,5 l) Wasser trinken und erhalte zwei weitere, eiskalte für die Fahrt; am Wasserhahnkann ich mich auch bedienen.

 - Beim Halt an einer großen Kontrollstation schenkt mir ein Polizist Früchte.

- Ein Mann mit Sohn (ca. 50 & 25) fährt mir hinterher auf einen Parkplatz und bietet mir mehrfach eine Übernachtung in der Nähe an. Ich lehne aber dankend ab, weil ich mein Minimalziel (Mahabad) erreichen will.

- In einer Einfahrt zu einer Plantage von Obstbäumen will ich etwas trinken. Ein Mann, der mit Frau und Enkelin unterwegs ist, schenkt mir frisch gewaschene Früchte.

 

 

Lange Suche nach Essen und Nationalismus

Erst bei Einbruch der Dunkelheit komme ich in Mahabad an. Ich frage nach einem Restaurant, werde aber zu einem Mann geschickt, dem ich zu einem Hotel hinterherfahre. Als ich ziemlich kaputt ankomme, steigt zufällig gerade ein französisches Pärchen aus dem Taxi; es ist heute mit dem Flugzeug im Iran angekommen. Der Portier denkt, dass wir zusammengehören und will mein Velo hinters Haus schleppen, ich kann ihn aber davon abhalten. Ich erkundige mich nach dem Preis, es spricht aber niemand Englisch. Schließlich merke ich, dass es mir zu teuer ist. Ich werde weiter geschickt und frage bei einem Friseur, wo denn ein Restaurant sei. Er sagt, ich könne zu ihm reinkommen. „Nein, ich suche ein Restaurant.“ „Du kannst einen Tee haben.“ Das reicht mir, ich habe jetzt genug. Ich sage ihm klipp und klar, dass ich seit über einer Stunde ein Restaurant suche und weder ein Hotel noch einen Friseur noch einen Tee trinken will. Einfach nur essen, ich habe Hunger und bin erschöpft! Schließlich hilft mir ein junges Pärchen, das gerade aus dem Friseurladen kommt, weiter.

Nach dem Essen suche ich nach einem günstigeren Hotel. Die Leute sind zwar an mir interessiert, schauen und sprechen mich an, es lädt mich aber wieder niemand zu sich ein. Das nächste mir empfohlene Hotel ist jedoch noch teurer als das erste. Ich spreche mit Mohammed (23) vor der Tür, der mich schließlich zu sich und seinen zwei gleichaltrigen Mitbewohnern einlädt. Wie ich später erfahre, sind alle drei beim Militär. Wir unterhalten uns, wobei wieder etwas rauskommt, das ich schon öfter von Iranern gehört habe: die Begeisterung für Nationalismus. Seine Schwärmerei für Adolf Hitler, der "einen Plan hatte", will ich aber nicht diskutieren, festgefahrene Ansichten kann man schlecht an einem kurzen Abend ändern. Ich versuche es auf einem anderen Weg. Ich mache ihm klar, dass es nicht „die Deutschen“ gibt. Weder jetzt noch früher. Genau so sieht es mit dem Iran aus. Ich versuche es, ihm an dem Teppich, auf dem wir sitzen, klar zu machen: Man kann jede Farbe einer Gruppe zuordnen. Das Ganze funktioniert als Vielfalt aber nur, wenn alles zusammenbleibt. Man kann nicht einzelne Teile rausreissen.

 

 

Ein bisschen bin ich schon enttäuscht, da ich gerade mal das Zwischenziel erreicht habe. Und das, obwohl ich zeitig losgefahren bin und einen gute Geschwindigkeit gehabt habe. Grund sind die unzähligen Pausen, die ich wegen der Hitze einlegen musste.

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Sep 2016 19:48:46

Tag 106 - Iranische Gastfreundschaft Menu