Tag 086 - Unpassierbarer Grenzübergang Nr. 4 (Türkei – Iran)/ Flucht vor aggressiven Kids Nr. 7-9
SO, 21.06.2015 – Unpassierbarer Grenzübergang Nr. 4 (Türkei – Iran)/ Flucht vor aggressiven Kids Nr. 7-9
Iğdır – Doğubeyazıt (TR)
Raus aus der Türkei, Versuch 2
Die Städte Iğdır und Doğubeyazıt sind definitiv dazu geeignet, sich die Türkei abzugewöhnen. Von zehn Punkten würde ich ihnen maximal einen geben. Und das nur, weil es dort Hotels und den Ishak-Pascha-Palast gibt. Eigentlich schade für meinen Abschied aus dem Land, den ich mir doch angenehmer vorgestellt habe. Um vor den Kindern sicher zu sein, nehme ich natürlich den Bus, um von Iğdır nach Doğubeyazıt zu kommen. Dafür gibt es nur die kleinen Busse, in die mein Rad zwischen die etwa 15 Fahrgäste aber gut reingequetscht werden kann. Der Busbahnhof ist zum Glück nur wenige Meter vom Hotel entfernt, mitten in der Stadt. Bei der Fahrt halte ich natürlich vor allem Ausschau nach den Jungen, die mich beworfen haben. Eine Schafherde sehe ich, die Jugendlichen sind aber nicht da.
Busfahrt bis zur iranischen Grenze
In Doğubeyazıt werde ich kurz hinter der Stelle ausgeladen, an der ich und Luca vorgestern von den Jugendlichen angemacht worden sind. Das ist also keine angenehme Ankunft in der Stadt. Ziemlich flott packe ich meine Sachen aufs Rad und mache mich sofort auf den Weg ins Stadtinnere auf der Suche nach dem richtigen Kleinbus, der mich weiter bis zur türkisch-iranischen Grenze Gürbulak bringt. Die etwa 35 Kilometer könnte ich gut fahren, aus Sicherheitsgründen vor den Kindern fahre ich aber lieber erneut mit dem Bus. Nun fahre ich also auf der anderen Seite des Ararat, um ein anderes Land zu betreten. Bei der Fahrt wird mir klar, dass in kurzer Zeit klar sein wird, ob die Reise weitergeht oder hier endet. Ein sehr seltsames Gefühl. Wenn ich wie gestern nicht über die Staatsgrenze kommen sollte, werde ich die Tour wohl beenden. In der Türkei würde ich sicher nicht bleiben und einen Bus zu einem Flughafen in Istanbul nehmen, um so schnell wie möglich heimzukommen. Mit dem Rest der geplanten Urlaubszeit – noch über 5 Wochen – würde ich mir irgendeinen Platz suchen, an dem ich wirklich Urlaub machen kann. Also ohne Sprach- oder Schriftprobleme, ohne Großstädte, ohne Massentourismus, ohne Geschlechtertrennung im Alltag.
Treffen mit Luca Nrt. 2
An der Grenze treffe ich auf Luca, der etwa 10 Minuten vor mir eingetroffen ist. Was für eine Überraschung! Er kam erst mal nicht durch, weil ein Krankenwagen von der Türkei über die Grenze muss, um dort einen türkischen Leichnam abzuholen. Entsprechend viele Angehörige sind anwesend. Ich weiß, dass er schon ein Visum hat, welches er über Deutschland organisiert hat. Allerdings musste er für die Referenznummer knapp 2 Wochen in Trabzon warten. Mir machen die türkischen Beamten gleich klar, dass ich ohne Visum für den Iran nicht weiterkomme. Sie lassen mich aber die etwa 50 Meter weiter zum Schiebetor, wo ich mich mit den iranischen Beamten unterhalten kann. Das nützt aber alles nichts. Sie wollen mich zurück nach Trabzon oder Erzurum schicken, wo ich mir ein Visum besorgen soll. Man kann also wohl doch kein Visum an der Grenze erhalten, wie mir gesagt wurde. Dies solle aufgrund seit Mai geltender neuer Gesetze so sein, nur weiss hier niemand etwas davon.
Der dieses Mal viel längere und angenehmere Austausch - es sind keine aggressiven Kids da - mit Luca über unsere Reiserfahrungen ist sehr interessant und erfrischend. Natürlich berichte ich über meine vielen schlechten Erlebnisse dieser Tour, wirklich schlecht geht es mir im Moment aber nicht. Es tut sehr gut, gute und schlechte Erfahrungen wie auch Ratschläge austauschen zu können. Außerdem sitzen wir schön im Schatten an einem gemütlichen Platz zwischen der Türkei und Iran. Und die Beamten lassen uns in Ruhe, keiner kümmert sich um uns. Schließlich kommt heraus, dass ich hier an der Grenze kein Visum erhalten kann, dafür aber wohl morgen in Doğubeyazıt, wo ich gerade herkomme. Luca fährt weiter Richtung Teheran, von wo aus er nach Sri Lanka fliegen wird. Nach über drei Stunden will auch ich die Grenzstation verlassen.
Rückkehr nach Doğubeyazıt/ Flucht vor aggressiven Kids Nr. 7-9
Ein Beamter bietet mir nach meinem mehrfachen Nachfragen an, mein Velo an den Gittern abzuschließen, was ich auch mache. Ich will mit dem Bus zurück nach Doğubeyazıt, um dort morgen ein Visum zu erhalten. Da der nächste Bus aber wohl erst in zwei Stunden fährt und ich erkenne, dass es auch hier Kids gibt, die stehlen, packe ich lieber wieder alle meine Sachen und radle davon. Nach einer Viertelstunde habe ich aber ein schlechtes Gefühl und halte beim nächsten Kleintransporter den Daumen raus. Der hält sofort an und nimmt mich mit. Es ist ein junges Ehepaar mit Kind und einem Freund. Der ganze Gepäckraum ist frei für mich und sie laden mich kurz vor Doğubeyazıt ab. Eigentlich schade, diese wunderschöne Strecke bei strahlendem Sonnenschein am Ararat und anderen Bergen entlang nicht selbst zu fahren. Aber der Gedanke an die Kinder reicht als Argument aus, hier besser nicht alleine zu fahren. Während der Viertelstunde Fahrt durch die Stadt Richtung Hotel wird mir dies auch bewiesen: In weniger als 5 Minuten werfen mir drei ältere Kinder ziemlich heftig Steine hinterher. Und mit dem schnell Davonfahren ist es hier nicht: immer wieder kommen eingebaute Hindernisse bei denen man lieber abbremst. Einmal tue ich dies nicht und als Folge fliegt meine Kamera aus der nicht verschlossenen Lenkertasche. Kein Wunder, die Tasche ist schon alt, der Reißverschluss lässt sich nicht mehr richtig schließen und mein Versuch, die Halterung höher anzubringen, ist gescheitert. Auf die Rückreise werde ich sie sicher nicht mitnehmen. Auf den Straßen, vor allem an Kreuzungen fallen mir die syrischen Flüchtlingsinder auf, die betteln oder Taschentücher verkaufen. Das tut echt weh, wenn man die Kinder so sieht. Aber sie werfen nicht mit Steinen.
Für alle, die mal in dieses Gegend kommen wollen: Begebt euch nicht in die Nähe von Mitmenschen unter 18. Bei den meisten Erwachsenen ist man in der Regel viel sicher aufgehoben, die bewerfen einen nämlich nicht mit Steinen.
Das von Luca empfohlene Hotel „Golden Hill“ – genau dort, wo ich heute früh aus dem Bus ausgestiegen bin – finde ich schnell und verschwinde gleich darin. Dem Hotelchef berichte ich von den Kindern hier, er meint aber nur, dass das eben Kinder seien. Ob er das wirklich so unbesorgt meint? Zum Hotelzimmer mit meinem Gepäck begleitet, meint der Angestellte „Good night!“ Hä? Es ist gerade mal 19 Uhr. Das Abendessen lasse ich mir von außerhalb bringen, ohne sehr wichtigen Grund werde ich sicher nicht aus dem Hotel gehen. Der offizielle Preis ist 30$, der Chef will dann 70 TL von mir, ich kann ihn aber runterhandeln auf 60. Luca hat nur 50 bezahlt. Ich unterhalte mich noch mit Yussuf (ca. 40). Er kommt aus Aserbaidschan, wohnt seit ein paar Jahren in Georgien und macht gerade Kurzurlaub hier. Morgen will er mit einer Reisegruppe auf den Ararat. Dafür benötigt man übrigens eine Genehmigung, die wohl noch schwerer zu erhalten ist als das Visum für den Iran. Vor allem darf man dort nur in Gruppen hinauf.
Video
Heute die Klänge, wenn der Zoll nach langer Zeit (Mittagspause?) wieder mal öffnet: