Tag 079 - Fahrt durch die Hitze in Kurdistan
SO, 14.06.2015 – Fahrt durch die Hitze in Kurdistan
Hasankeyf - Ziyaret
Wieder raus aus Hasankeyf
Heute Nacht habe ich wieder Durchfall bekommen, fühle mich insgesamt aber ganz gut. Ich fahre ziemlich früh los, Bülent wird wohl erst um 11 auftauchen. Das ist mir zu spät, ich muss weiterfahren. Wie erwartet finde ich auch hier keinen Bus, der mich zurück nach Batman fahren kann. Egal, die schöne Strecke bis dort kann ich nämlich genießen. Allerdings dauert es gleich lange wie gestern. Schon komisch. Mit wenigen Ausnahmen fahre ich die gleichen Abschnitte ziemlich schnell (anfangs) oder langsam (der Rest). Die gestrige Geschwindigkeit lag also nicht am Wind, sondern eher am Straßenbelag.
Vor der Einfahrt nach Batman biege ich nach rechts ab, nachdem ich mich noch mit Brot und sehr viel Wasser eingedeckt habe. Die Strecke bis kurz nach Kurtalan ist schrecklich langweilig und sehr anstrengend. Deswegen mache ich zwischen 2 und 3 eine ungeplant lange Mittagspause an einem momentan geschlossenen Laden und lege mich dort einfach in den Schatten. Der Boden ist warm genug, um sich dort hinzulegen und zu schlafen. Einer der besten Augenblicke der ganzen Tour. Die Leute grüßen hier weniger als gestern. Außer die Autofahrer, die eine Hochzeit feiern. Nach einigen Minuten komme ich auch am Haus der Hochzeit vorbei, verschwinde aber gleich wieder. Denn es passt nicht, dass vor allem die jungen Männer mehr auf mich als auf das Hochzeitspaar schauen. Da könnte ich mich ziemlich unbeliebt machen. Ansonsten sind hier an jedem schattigen Platz Pausen angesagt, denn es ist sehr heiß.
Familie will mein Zelt nicht geschenkt bekommen
Am späten Mittag komme ich an einem Haus mit vielen Kindern vorbei. Ich halte an und packe mein Zelt aus. Nicht aber, um hier zu übernachten, sondern, um es dem Vater zu schenken. Ich bin seit über 11 Wochen unterwegs und habe das Zelt bisher kein einziges Mal gebraucht. Und ich gehe nicht davon aus, dass ich es noch einsetzen werde. Warum also soll ich es weiter mit mir rumschleppen? Die Kinder würden sich bestimmt darüber freuen. Denke ich jedenfalls. Leider hat der Familienvater kein Interesse, bietet mir dafür aber mehrfach Wasser und Ayran an, was ich bei der Hitze sehr gerne annehme. Die vielen Kinder um mich herum sind auch interessiert, besonders natürlich an der Klingel meines Velos. Sprachlich klappt es kaum, das ist aber egal, es ist einfach nett.
Beruhigende Strecke am Abend
Die Verbindungsstraße nach Ziyaret ist ein großer Gegensatz zur bisherigen, sehr trockenen Strecke: Die Wegstrecke entlang dem Fluss Bitlis Çayı ist sehr grün, es gibt Felder und wieder zauberhafte Gebirgszüge. Zudem wird es ab 18 Uhr angenehm kühl und die Fahrt ist sehr entspannend, auch wenn es die letzten Kilometer wieder etwas bergauf geht. Ich fühle mich trotzdem wohl, die Landschaft tut mir sehr gut nach einigen nervenden Bekanntschaften in den letzten Tagen, vor allem den Kindern, die nach Geld fragen.
Eigentlich will ich nach Baykan, welches sich laut meiner Karte knapp zehn Kilometer rechts von der nächsten Abzweigung befindet. Tatsächlich befindet sich im Gegensatz zu meiner Karte direkt an der Kreuzung die Kleinstadt Ziyaret und außerdem gibt es laut der dortigen Passanten in Baykan kein Hotel, so komme ich hier unter. Die Unterkunft ist ein Riesenklotz und ich zahle ohne Diskussion 60 TL, was viel zu viel ist, aber ich habe keine Lust, zu diskutieren. Wert ist es das allerdings nicht. Auf dem Toilettendeckel hat mein Vorgänger ein paar Flecken hinterlassen und die Internetverbindung ist zwar gut, es kommen aber permanent Werbeblöcke rein. Bier gibt es hier wie im ganzen Dorf angeblich keines, denn man sei hier ja „muslimisch“. Wenigstens kann ich mich so schon mal einstellen auf den Iran – wo man angeblich eher Bier erhält als hier. Da die beiden Herren an der Rezeption kein Englisch sprechen, ist ein Gespräch wie so oft nicht möglich.
Meine geplante heutige Reisestrecke übertreffe ich um 25 Kilometer und gehe davon aus, dass ich dies morgen einsetzen kann, Tatvan nur kurz streifen werde und dann direkt weiter Richtung Van, um auf dem Land zu übernachten.