Tag 076 - Berg Nemrut, die steilste und schwierigste aller bisherigen Fahrten
DO, 11.06.2015 – Berg Nemrut, die steilste und schwierigste aller bisherigen Fahrten
Kâhta – Karadut
Frühstück als Entscheidungshilfe zur Weiterfaht
Nach dem Aufstehen bin ich mir noch nicht sicher, ob ich heute weiterfahren soll oder wegen dem Sonnenstich besser noch einen Tag ruhen. Aber das Frühstück gibt mir die Antwort: weiterfahren. Am ersten Tag in dieser Unterkunft wurde mir nämlich gesagt, dies gebe es immer bis 11, heute wird aber schon kurz nach 9 abgeräumt, obwohl ich noch nicht fertig bin. Wahrscheinlich wieder „special“. Genauso wie es gestern für einige Gäste die Info gab, das Frühstück sei heute ausnahmsweise gratis, „special“ eben. Auch Touren werden einem als „very good“ aufgedrängt zu „very good“ Orten und zu „very good“ Preisen. Alles eben „very good“ und „special“.
Als Deutscher werde ich natürlich auf Fußball angesprochen. Ich merke aber gleich, dass mein Gegenüber kein wirkliches Interesse an einer Unterhaltung hat. Wenn man so ein Gespräch abwürgen will, kann man das gleiche machen wie ich: einfach darauf verweisen, dass die Frauen gerade Fußball-WM haben und die Deutschen im ersten Spiel 10 Tore ohne Gegentreffer geschossen haben. Damit sind die meisten Gesprächspartner überfordert. Falls nicht, kann ein sehr interessanter Austausch entstehen.
Der Abschied wird doch noch ganz angenehm: So erfahre ich vom Chef (ca. 50), dass er unter anderem durch sein Studium in den Niederlanden inzwischen 6 Sprachen spricht (Kurdisch, Türkisch, Englisch, Hebräisch, Italienisch, Arabisch). Und sein Kollege armenischer Abstammung (ca. 55) macht einen sehr sympathischen Eindruck.
Beim Start ist mir bewusst, dass ich ein gewisses Risiko eingehe, da ich mit dem Hitzschlag nur etwa 1,5 Tage geruht habe. Ich muss also das gleiche machen wie gestern Nacht: die Haare "wässern" und darüber eine ebenfalls nasse Wintermütze, die hiermit zu unerwartetem Einsatz kommt. Tatsächlich wirkt es wirklich Wunder, immer einen feuchten und damit gekühlten Kopf zu haben.
Gestern Abend habe ich mir noch einen Plan gemacht, was ich auf dem Weg zum Nemrut Dağı (2150 Meter) alles anschauen will. Alles im Westen davon (Arsameia am Nymphaios, Chabinas-Brücke, Grabhügel Karakuş), also abseits des Berges selbst, lasse ich aber aus, da es mir einfach zu viel ist. Vorgestern hatte ich sogar den Gedanken, den Nemrut Dağı aus Zeitgründen ganz auszulassen. Jetzt will ich aber doch dort vorbeischauen, auch wenn mir der enorme Höhenunterschied bewusst ist – ca. 1.500 Meter. Zuerst also auf den Berg, dann wieder zurück zur Hauptstrecke und weiter Richtung Osten, mit der Fähre über den Atatürk-Stausee und ab Siverek mit dem Bus nach Diyarbakır. Das müsste zeitlich hinhauen.
Fahrt auf den Nemrut Dağı
Oben treffe ich ein Paar (ca. 35) aus München, das mit Baby über den Iran fährt. Sie haben für ihr Visum, das sie in München beantragt haben, keine Referenznummer benötigt. Sehr interessant. Sie meinen, sie seien vorher mit ihrem Reisebus an mir vorbeigefahren und hätten überlegt, ob sie mich mitnehmen sollen. Dann sei ihnen aber klar geworden, dass Personen, die solch eine Strecke hochfahren, sie auch fahren wollen. Recht hatten sie. Ich hätte es wirklich blöd gefunden, mich die letzten zwei Kilometer transportieren zu lassen. Nach 90 Minuten fahre ich schon wieder zurück, weil mir die Rückfahrt bei Dunkelheit zu gefährlich ist.
Rückfahrt und Planung
Die Fahrt bergab beim letzten Sonnenlicht geht natürlich schneller, ich muss aber sehr oft bremsen, da es zig Kurven, sehr viele Rillen und gelegentlich auch Sand gibt. Beim ersten Hotel treffe ich drei türkische Motorradfahrer (alle ca. 50), von denen einer seit Jahren in Mannheim lebt. Wir unterhalten uns recht kurz aber sehr angenehm. Leider haben die drei durch ihre Übernachtung das letzte freie Bett besetzt. Aber hier unterzukommen, ist nicht schwer, denn es gibt viele Hotels. So fahre ich eine kurze Strecke weiter ins Dorf Karadut und finde dort sofort eine Unterkunft, wo ich anscheinend der einzige Gast bin.
Nach dem üppigen Abendessen merke ich, dass ich wieder oder immer noch einen leichten Sonnenstich habe und gehe deshalb zur Abkühlung mit einer feuchten Mütze ins Bett. Davor habe ich mir einen genauen Fahrplan gemacht, um mir bewusst zu werden, welche Etappen ich in den nächsten Tagen zurücklegen muss. Meistens sind es ziemlich genau 100 Kilometer, manchmal deutlich darüber. Eigentlich kein Problem nach meiner jahrelangen Erfahrung. Aber bei dieser Tour will ja vieles nicht so ganz klappen. Deswegen und auch wegen dem Sonnenstich gehe ich davon aus, dass ich die Strecken nicht nur aus eigener Kraft hinter mich bringen werde, also zum Beispiel auch mit dem Bus fahre. Das widerspricht zwar zu 100% dem, was ich unter Velotour verstehe, es gibt aber keine andere vernünftige Lösung für mich. Normalerweise mache ich so etwas so gut wie nie, jetzt stehe ich aber wieder ziemlich unter Zeitdruck. Falls ich es nämlich nicht bis zum 20. Juni schaffen sollte, wird es nichts mit der Einreise nach Nachitschewan.
Neues Problem: der Fotoapparat
Seit heute habe ich ein neues Problem: meinen Fotoapparat. Es ist ein Staubteilchen ins Objektiv gekommen, so dass auf den Fotos ab jetzt oft ein kleiner Kreis an verschiedenster Stelle auftauchen kann. Ich kann es nur entfernen bzw. verschieben, indem ich die Kamera heftig schüttele. Bei meiner alten Kamera hatte ich dieses problem auch und mir wurde gesagt, eine Reparatur sei so teuer wie ein neuer Apparat. Allerdings hat es damals zwischen Kauf und dieser Panne 3 Jahre benötigt, die jetzige Kamera (ebenfalls Panasonic Lumix, jeweils etwa gleicher Preis) ist gerade mal 3 Monate alt. Und ich habe von Anfang an Probleme damit gehabt. Falls ihr eine davon erwerben solltet, kauft euch dazu am besten eine Metallbox zur Aufbewahrung und benutzt sie so selten wie möglich. Echt ein Schrott. Das einzige, was ich an ihr sehr gut finde, ist die Videoaufnahme. Da wird – im Gegensatz zur alten Kamera – nämlich auch der Ton aufgenommen.