Tag 073 - Weiter Richtung Osten
MO, 08.06.2015 – Weiter Richtung Osten
Nurhak – Adıyaman
Immer noch Gegenwind
Da ich am Morgen noch Berichte schreibe, starte ich erst um 13 Uhr. Davor entferne ich noch ein wenig von den Asphaltspritzern im Kettenbereich.
Die erste halbe Stunde läuft die Fahrt sehr gut. Danach geht es ziemlich lange vor allem bergab. Allerdings habe ich davon nicht viel, denn gleichzeitig habe ich starken Gegenwind. Das nervt wahnsinnig, denn ich vermute, dass es nachher wieder bergauf geht. Der fast permanente Gegenwind, den ich unabhängig von Fahrtrichtung spüre, stört inzwischen enorm. Ich kann zwar so fahren, es ist aber enorm demotivierend, fast jeden Tag von solchem Wetter auszugehen und es fast immer bestätigt zu bekommen, gegen den Wind kämpfen zu müssen, davon meistens ein Rauschen in den Ohren zu haben und oft eine triefende Nase.
Erst ab Gölbaşı läuft es besser, ich habe oft unterstützenden Wind von hinten und der Seite. Es geht ab und zu wieder bergauf, aber in Maßen und insgesamt deutlich bergab. Schließlich fahre ich – wie ich später erfahre – von 1400 Metern auf eine Höhe von 669 Metern. Ein Schnitt von knapp 21 km/h ist trotzdem nicht gerade besonders gut für solch eine Strecke.
Der Asphalt ist heute nicht geschmolzen, dafür hat es auf dem Seitenstreifen aber immer wieder Teersplit.
Abgesehen von der ersten und der letzten Stunde der heutigen Fahrt komme ich durch ein Gebiet, in dem mich nicht mal die Männer grüßen. Sogar ein Schäfer winkt nicht zurück – eine Premiere. Nur die Kinder rufen mir zu, dies aber garantiert.
Adıyaman
Bei der Ankunft in Adıyaman mit den letzten Sonnenstrahlen der Dämmerung wird mir klar, dass ich nicht nur knapp 6 Stunden gefahren bin, sondern auch knapp zwei Stunden mit kleinen Pausen und Fotografieren verbracht habe, also viel zu lange. Und das ohne großes Essen, Mittagsschlaf, Besichtigung oder kleiner Wanderung. Vor allem wird mir aber auch klar, dass ich das Erreichen der Stadt nach den anfänglichen Schwierigkeiten nicht unbedingt erwartet habe. Und das ist sehr erfreulich.
Bei der Suche nach einem günstigen Unterkunft halte ich vor einem Hotel und habe Kontakt mit drei Leuten: 1.) ein jungen Mann (ca. 25), der aber nur türkisch spricht 2.) ein älterer Mann (ca. 55), der mich auf Französisch anspricht. Richtig weiterhelfen kann er mir aber auch nicht 3.) zwei jungen Damen (ca. 25), wobei mich die eine in gutem Englisch anspricht. Letztendlich suche ich aber alleine weiter. Schließlich finde ich in der Nähe ein günstiges Hotel. Dieses hat aber ein paar Mankos: kein Toilettenpapier, kein Internet, kein Frühstück. Gibt es aber alles nebenan zu erwerben. Das Hotel kann ich trotzdem nicht empfehlen.
Nach dem Abendessen gehe ich zu einem Eisverkäufer, der zur Verständigung in sein Smartphone spricht. Als Übersetzung kommt raus „Willst du in die EU?“. Ich muss lachen, aber das war wohl nicht als Witz gemeint, sondern ein Missverständnis bei der Übersetzung. Eine Mitarbeiterin, die gar nicht schlecht Englisch spricht, macht ihm klar, dass ich von den drei Sorten, auf die ich schon vor Minuten gezeigt habe, gerne jeweils eine Kugel hätte.
Ab etwa 22:45 höre ich auf der Straße lautes Gehupe und Gebrülle junger Männer, die wohl für die AKP demonstrieren. Aber ich bleibe besser im Hotel.
Feingefühl der Männer
Wird nicht immer wieder gesagt, bein den Deutschen müsse alles schnell gehen? Dann kommt mal bitte mit dem Rad hier in die Türkei (oder ein anderes Nicht-Radfahrer-Land) und versucht, in ein Hotel zu kommen. Für die kann es nicht schnell genug gehen, dass man in ihrem Haus ist. Zack zack muss das Rad die Treppen hinaufgeschleppt werden (was bei dem Gewicht sehr schwer zu machen ist), muss man selbst an der Rezeption oder am besten schon in seinem Zimmer sein. Und das habe ich ziemlich oft erlebt. Viele kapieren einfach nicht, dass man sein Gepäck gerne mit auf dem Zimmer hat. Und das kann man weder in ein paar Sekunden vom Rad runternehmen noch ins Zimmer tragen. Es wird einem zwar oft geholfen und das Rad irgendwo angepackt, aber nicht unbedingt mit Geschick und Feingefühl. Wieder mal ein guter Grund, sich bei den türkischen Frauen über ihre Männer zu informieren. Aber keine Sorge: harte Schale, weicher Kern.