Tag 065 - Weiterfahrt, neues Problem und viele junge Damen
SO, 31.05.2015 – Weiterfahrt, neues Problem und viele junge Damen
Ankara – Keskin
Neues Problem
Heute ist der 65. Tag meiner Reise. Laut Planung sollte ich eigentlich schon kurz vor der Grenze zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan stehen. Ich bin aber noch in Ankara. Außerdem bin ich knapp 1.000 Kilometer mehr gefahren als geplant – obwohl ich in Österreich zwei längere Strecken mit dem Zug unterwegs war und die Ein- und Ausfahrten nach Istanbul und Ankara mit dem Auto, Schiff und Bus vollbracht habe. Wegen der längeren Strecke bin ich aber nicht so spät dran. Es ist, wie ich schon erwähnt habe, wegen den vielen Wartezeiten aufgrund von Stürmen, Veloreparatur und dem fehlenden Reisepass. Die Verspätung ist aber nicht das eigentliche Problem. Das besteht darin, dass das Visum für Aserbaidschan, das ich erst in Graz (Österreich) nach einigen Tagen Warten erhalten habe, in ziemlich genau drei Wochen verfällt. Das ist mir erst gestern klar geworden. Die lange "Freizeit", die ich bisher warten musste, wollte ich eigentlich erst nach Ankara einsetzen. Jetzt ist aber Tempo angesagt. Wenn das Wetter, die Gegebenheiten und die Grenzkontrollen einigermaßen mitspielen, könnte es aber doch noch was werden.
Zwei mal Ticketumtausch bis zur Abfahrt
Mir war schon bei der Einfahrt mit dem Bus nach Ankara klar, dass ich die Stadt auf die gleiche Weise wieder verlassen würde. Die eigentlich geplante Strecke von etwa 40 Kilometern verdopple ich aber und will in Kırıkkale aussteigen. Die Fahrt zum sehr großen Busbahnhof AŞTİ ist nicht so wild wie ich sie mir vorgestellt habe. Was mir nicht gefällt, ist, dass ich mich dort über die Rolltreppen fortbewegen muss, was nur klappt, wenn man die Bremsen sehr fest anzieht und sich dazu noch an die Seite lehnt. Aufzüge finde ich wie bei der Ankunft in dieser Stadt keine. Am dritten Schalter – von insgesamt über 60 – im zweiten Stock werde ich endlich fündig, obwohl ich vorher bei der Information gesagt habe, wie meine Situation aussieht. Nämlich, dass ich mit meinem Velo nach Kırıkkale will. Teilweise geht es hier zu wie bei der Börse, überall ein Haufen Papier in jeder Form, vor allem Tickets, Bescheinigungen und Geldbündel. Schließlich erhalte ich ein Ticket und der Busfahrer will mich zum Bus im Erdgeschoss begleiten, der offiziell um 14.30 losfährt. Da mache ich ihm so gut es geht klar, dass ich noch mein Velo, das ich im ersten Geschoss abgestellt habe, holen muss. Als ich es zwei Minuten später im Erdgeschoss ankomme, ist der Bus fort. Ich rege mich ziemlich auf, halte mein Fluchen aber zurück, damit die Leute hier keinen schlechten Eindruck vom einzigen ausländischen Touristen weit und breit bekommen und dies vielleicht auf alle weiteren übertragen. Ich schließe mein Velo ab und gehe wieder in den zweiten Stock, um das Ticket umzutauschen, was auch problemlos funktioniert. Von dort begleitet mich ein anderer Fahrer zu seinem Bus. Allerdings stellt sich dort raus, dass es ein Kleinbus ist, für das mein Velo zu groß ist. Er ist so nett, mich an den Schalter zurückzubegleiten, um ein drittes Ticket zu erhalten. Dies ist gültig für einen größeren Bus, der um 16:30 abfährt. Damit es nachher nicht vielleicht Platzprobleme gibt, packe ich mein Velo kurz nach der Ankunft des Busses um 15:30 ein und setzte mich auf meinen Platz. Als der Motor um kurz vor 16 Uhr startet, gehe ich zum Fahrer und zeige ihm mein Ticket, das eigentlich erst für eine halbe Stunde später gültig ist. Er macht mir aber klar, ich solle mich wieder hinsetzen. Auch mein Nachbar hält die angegebene Uhrzeit für kein Problem. Das tue ich auch eigentlich auch nicht, aber der Bus ist ziemlich voll und ich habe die Befürchtung, dass unterwegs jemand einsteigen könnte, für den mein Platz reserviert ist und für mich dann kein Sitz übrig ist. Tatsächlich läuft aber alles problemlos.
Busfahrt nach Kırıkkale
Aus den geplanten 100-120 Kilometern Velofahren wird heute sicher nichts. Ich habe sogar Glück, dass der Bus „schon“ um 16 Uhr abgefahren ist und das es mir deshalb wenigstens bis in die nächste Stadt reicht. Letztendlich bin ich aber froh, dass ich fast problemlos aus der Großstadt Ankara rauskomme. Bei dieser Fahrt sehe ich von meinem einwöchigen Aufenthalt eigentlich am meisten von der Stadt. Darunter auch Sachen, die ich während der ganzen Woche nicht angeschaut habe, es war mir einfach zu viel. Teil davon ist der neue Präsidentenpalast (Cumhurbaşkanlığı Sarayı) in der Atatürk Waldfarm (Atatürk Orman Çiftliği). Dieser auf geschütztem Gelände gebaute Prunkbau wurde letztes Jahr bezogen. Erst vor wenigen Tagen wurde er vom Obersten Verwaltungsgericht als illegaler Bau erklärt. Ebenso komme ich an den Siedlungen am Rand der Stadt vorbei. Bei der weiteren Fahrt habe ich einige sehr schöne Ausblicke in die bezaubernde Felsenlandschaft. Hier ist sehr viel Verkehr und es war kein Fehler, den Bus zu nehmen. Die vielen schönen Mitfahrerinnen steigen eine Station nach der Universität von Kirikale, die ein paar Kilometer vor der Stadt liegt, aus.
Weiterfahrt und Bekanntschaft mit 3 Tramperinnen
Mit dem geplanten Ziel Kırşehir, also einer geplanten Fahrtstrecke von gut 100 Kilometern, wird es durch die Ankunftszeit gegen 17:30 sicher nichts mehr. Nachdem ich mich sportlich angekleidet habe, geht es erst mal eine Weile bergab. Und ich komme endlich – das erste mal während dieser Tour – an einem sehenswerten Friedhof vorbei, der an einem Hang gelegen ist. Ich betrete die große Anlage aber nicht, sondern fahre mittendurch, er ist beidseitig der Straße.
Unterwegs hält direkt neben mir, als ich kurz in die Karte schaue, ein Auto an und lädt drei junge Frauen aus. Die zwei Herren fahren weiter und meine neuen Bekanntschaften meinen – in recht gutem Englisch, sie wären per Anhalter unterwegs und heute in Ankara gestartet. Sie wollen weiter nach Kayseri. So ganz schlau werde ich aus den dreien aber nicht. Ihre Angaben darüber, wo sie heute bzw. morgen hinwollen, deckt sich nicht immer. Aber sie fragen mich mehrmals, ob sie mir nicht weiterhelfen können. Als ein Auto für sie anhält – wieder mit 2 Herren - fragt mich die eine, ob ich nicht doch mitkommen wolle. Das geht wohl schlecht. Ich könnte mich vielleicht quer über die drei jungen Frauen legen, mein Gepäck und Velo passt aber nirgends rein. Und ich spreche aus Erfahrung aufgrund der Fahrt nach Istanbul. Was mich aber noch mehr verwirrt, ist, dass sie sagt, sie seien morgen wieder an dem gleichen Fleck. Jedenfalls verstehe ich es so.
Ankunft in Keskin und Bekanntschaft mit 3 Studentinnen
Die Weiterfahrt wird jetzt langsamer, da es bergauf geht. Weil es dazu noch kälter wird, entscheide ich mich kurz nach 19 Uhr, nur bis zur Kleinstadt Keskin zu fahren. Dort wird mir recht schnell klar, dass es hier wohl kein Hostel gibt. Ich scheine auch der erste Tourist seit Ewigkeiten zu sein. Zum Glück erkundige ich mich bei drei jungen Frauen (alle 19). Sprachlich kommen wir nicht weit, sie machen mir aber klar, dass ich sie begleiten kann. Ein Hotel gebe es nicht, aber ich könne bei einer Lehrperson schlafen. Gut, in Ordnung. Ob er oder sie aber überhaupt was von seinem heutigen Gast weiß? Schließlich gehen wir zu einem Café, wo gerade eine kleine Geburtstagsfeier stattfindet. Ich bestelle Kartoffeln (patatas). Allerdings werden einem in der Türkei dann oft Pommes serviert, auch zum Frühstück. Die sind aber sehr gut. Was mir erst morgen einfällt, ist der kulturelle bzw. soziale Unterschied. Ich habe leider keiner der Damen oder sonst wem am Tisch angeboten, mitzuessen. Hier wäre das die Regel. Wenigstens habe ich es heute Mittag bei der Busfahrt eingehalten, als ich meinem Nachbar eine Banane angeboten habe. Da muss ich noch was dazulernen. Leider können hier alle nur Türkisch sprechen, aber mir geht es gut. Schließlich kommen wir über Smartphone doch weiter, auch wenn die Übersetzungen manchmal sehr seltsam sind. Vor allem kommuniziere ich mit Emine, die mir nach einer Stunde um kurz nach 9 klar macht, dass wir jetzt besser gehen sollen, da die Jungs nur noch komische Sachen von sich geben. Außerdem müssen die drei Mädels bis 22 Uhr zurück sein in ihrem Studentenwohnheim. Sie bringen mich zu dem Lehrer. Allerdings hat dieser keine Privatunterkunft, sondern ein Hostel. Die Lehrperson schläft im Zimmer neben mir, ich habe ein Fünfbettzimmer für mich allein und im Stockwerk über uns schläft eine Frau. Ich habe das Gefühl, dass der Lehrer mir nicht ganz traut und am liebsten bestimmen würde, wann ich ins Bett gehe etc.