Tag 062 - Spendenaktion weiterführen
DO, 28.05.2015 – Spendenaktion weiterführen
Ankara
Bekanntschaften im Hostel
Wenigstens fühle ich mich im Hostel ganz gut. Hier sind momentan vor allem Türken, was laut meinem türkischen Mitbewohner aber die Ausnahme ist. Außerdem sind hier zwei junge Franzosen, die vor zwei Monaten ihre einjährige Weltreise per Anhalter gestartet haben. Sie haben gestern nach langem Warten ihr Visum für den Iran erhalten und ziehen heute weiter. Sie meinen, vor einer Woche wäre ein anderer deutscher Velofahrer hier gewesen, der ebenfalls in den Iran wolle. Einen Deutschen treffe ich aber noch, nämlich Sören. Er kommt aus der Nähe von Bielefeld und wandert. Morgen Abend wird er mit dem Bus über Trabzon ins Gebirge fahren. Winterschuhe und eine Mütze – dort hat es noch außergewöhnlich viel Schnee – wird er trotz intensiver Suche bis dann aber leider nicht mehr finden.
Weiter Spenden sammeln? Ja!
Für alle, die es vielleicht vermuten: Nein, nach Hause will ich nicht. Meine Wohnung ist nämlich bis Ende Juli vermietet. Es wäre also nicht klar, wo ich wohnen würde und vor allem, was ich in der Zeit bis zum neuen Arbeitsbeginn Mitte August machen würde. Außerdem würde mir die Reise, wie ich sie bisher erlebt habe, kaum als Erfahrung der Freiheit in Erinnerung bleiben. Das ist ein sehr guter Grund, weiterzufahren, um vor allem Positives und Erfreuliches zu erleben.
Aufgrund der Situation der Schule und des Viertels habe ich lange überlegt, ob ich die Spendenaktion in dieser Form weiterführen will. Ich war nicht mehr zu 100% davon überzeugt, hatte zum Teil sogar ein schlechtes Gefühl dabei. Es geht mir dabei auch um die Menschen, die meine Berichte lesen und spenden. Ihnen gegenüber trage ich Verantwortung für das Projekt. Und dies geht nur, wenn ich vom Projekt, seinem Träger und den Aktivitäten überzeugt bin. Die verantwortlichen Personen bei den Jesuiten und der Spendenverwaltung haben Verständnis dafür, dass ich bei dem Projekt in Ankara kein gutes Gefühl habe. Sie können meine Bedenken sehr gut verstehen und lassen mir vollkommen freie Wahl, ob ich die finanzielle Unterstützung fortsetze. Von ihnen erfahre ich, dass man die erfolgreiche Arbeit in der neuen Schule nach dieser Krise fortsetzen will. Und ich finde, es war eine wichtige Erfahrung zu sehen, dass in Krisengebieten Projekte nicht immer nach Plan funktionieren und dass syrische Flüchtlinge in der Türkei – wie auch in anderen Ländern – nicht immer mit offenen Armen empfangen werden, sondern dass es zu Spannungen und gewaltsam ausgetragenen Konflikten kommen kann. Das ist die Realität. Der Spendenzweck meiner Radtour ist die Hilfe für syrische Flüchtlingskinder. Es gibt genügend andere erfolgreiche Projekt in diesem Bereich oder auch sonstige, die mir spontan einfallen und die unterstützenswert wären. Die Probleme vor Ort zeigen aber umso mehr, wie wichtig die Hilfe dort ist. Da der JRS das Projekt nicht aufgeben wird, sondern alles daran setzen, die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, werde ich es weiterhin unterstützen, um damit auch ein Zeichen zu setzen. Gerade Hilfsprojekte in schwierigen Phasen brauchen Unterstützung.
Unnötiger Ausgang und „sich verfahren“
Am Abend mache ich den Fehler, noch mal rauszugehen. Ich will in die Bar, an der ich am ersten Abend eine nette Zeit hatte. Leider verlaufe ich mich ein wenig und gerate ausgerechnet in die Gegend, in der viele teure Hotels und nebenan Night Clubs sind. Das hat mir gerade noch gefehlt. An einem Restaurant frage ich zwei junge Pärchen, ob sie mir vielleicht weiterhelfen können. Sie rufen gleich eine Kollegin (ca. 30) herbei, die aus Deutschland kommt und hier ihre Muttersprache unterrichtet. Schnell habe ich etwa 10 sympathische Personen um mich herum und alle wollen natürlich ein wenig ihre Deutschkenntnisse beweisen. Sehr nett. Sie haben sich getroffen, weil eine von ihnen zum ersten Mal einen Auslandsaufenthalt vor sich hat, nämlich ein Jahr Toronto (Kanada). Anstatt mir den Weg zu zeigen, nehmen sie mich in ihrem Auto mit, um ein paar Straßen weiterzufahren, wo sie etwas essen wollen. Der Laden hat aber schon zu und sie wollen ein paar Ecken weiter. Ich steige aber aus, da es hier angeblich auch Bars gibt. Die gibt es auch. Ich versuche allerdings nur, bei einer reinzukommen, denn dafür brauche man eine „Reservierung“. Soll heißen: Dort kommt man als Mann nur rein, wenn man eine weibliche Begleitung hat. Die habe ich aber nicht. Also versuche ich einfach, mich wieder auf den Rückweg zu machen und frage mich durch. Für den Hinweg habe ich eine halbe Stunde gebraucht, für den Rückweg fast 90 Minuten. Das liegt einerseits daran, dass meine Karte nur einen kleinen Ausschnitt der Stadt zeigt und andererseits daran, dass niemand so recht weiß, wo welche Straße ist, mich aber trotzdem weiterschickt. Ich hätte es mir wirklich sparen können, auszugehen. Viele Leute fragten mich vor dem Tourstart, ob es denn nicht die Gefahr gebe, sich zu verfahren. Diese Gefahr hält sich in Grenzen und ist verkraftbar. Viel öfter verlaufe ich mich in Großstädten, davor hat mich aber niemand gewarnt.