Tag 055 - Warnung vor weiteren „Tırnakçı“
Tag 055, 21.05.2015 – Warnung vor weiteren „Tırnakçı“
Iznik – Geyve
Obwohl ich eine Woche so gut wie gar nicht Rad gefahren bin, hatte ich gestern immer noch Probleme mit den Waden. So stelle ich den Sattel noch mal ein paar Zentimeter tiefer, was das Problem sofort löst. Heute verlasse ich Seen und Meere, die ich auf meiner restlichen Reise wohl kaum noch sehen werde. Der Weg ist oft unerträglich. Es ist nur drittklassiger Teer, der von mehr Luft als anderem Teer umgeben ist. Die Fahrt ist somit häufig holprig. Am schlimmsten ist die Stadt Geyve: Der Asphalt ist kaum durchgehend, überall sind Schlaglöcher, nach der Stadtmitte ist der Weg auf ein Mal nass und voller Dreck. Mindestens 5 Kinder schreien mir hinterher „Hello. What’s your name?“. Eigentlich nett, aber ich bin durch den Weg einfach gestresst. Ich hoffe, die nächsten Radfahrer sind besser gelaunt.
Danach kommt eine starke Steigung, die aber gut zu bewältigen ist. Wie gestern kommt nun eine ansehnliche Landschaft, bei der man gerne mal auf den höchsten Berg fährt. Danach geht es steil bergab. Und danach wieder lange bergauf, was mir nicht so recht ist, da ich noch vor Einbruch der Dunkelheit in Göynük ankommen will. Daraus wird aber nichts mehr. Außerdem ist der Himmel voller Wolken, einige davon erschreckend dunkel. So lasse ich erneut den Plan fallen, heute mein Zelt endlich mal auszuprobieren, draußen zu schlafen oder mich lange durchzufragen. Eigentlich ist es mir inzwischen sogar ganz recht, in Hostels zu schlafen. So finde ich schnell Unterkünfte und kann ein paar Sachen erledigen. Leute lerne ich somit allerdings kaum kennen.
Mehr Informationen über die „Tırnakçı“
Bei der Ankunft vor der Stadt Taraklı, an der ich nur vorbeifahre, wird mir gesagt, die Stadt habe kein Hotel anzubieten und dass es nur weiter an der Stadt vorbei neben der Tankstelle eine Unterkunft, ein Motel, gebe. Dort werde ich schnell fündig und richte mich ein. Da das Zimmer groß und ebenerdig ist, kann ich mein Velo mit reinnehmen. Danach gehe ich noch mal zur Tankstelle, um mir für morgen ausreichend Wasser zu besorgen. Die Herren laden mich zu einem Tee ein, für ein Gespräch reicht es aus sprachlichen Gründen leider kaum aus. Mir wird nur klar, dass einer von ihnen, ein eigentlich vertrauenswürdiger Polizist, vom Rezeptionist Bescheid über meine Pläne und bisherigen Aufenthalte erfahren hat und mir nun seine Meinung darüber preisgibt. Aus Moldawien und der Ukraine kommen seiner Meinung nach nur Prostituierte und mit dem Iran verbindet er stark verschleierte Frauen und dass einem die Hand abgehackt wird. Ganz neu sind mir diese klischehaften und engstirnigen Aussagen nicht. Als ein Kollege, ein Arzt, reinkommt, können wir besser kommunizieren, denn er spricht Englisch. Deswegen berichte ich ihm auch von meiner schlechten Erfahrung in Istanbul, die ich allerdings auf den Diebstahl am Geldautomaten beschränke. Er weiß gleich um was es geht, schließlich gibt es für solche Diebe den eigenen Ausdruck „Tırnakçı“ – Leute, die etwas – meist Geldscheine – durch ihre Fingernägel fallen lassen (tırnak = Fingernagel). In Ankara brauche ich mich davor angeblich nicht zu fürchten, dafür aber in Van. Die türkische Gastfreundschaft treffe ich hier wieder an. So wird mir Tee angeboten und am Essenstisch legen vier Männer von ihrem Essen so zusammen, dass ich auch einen vollen Teller habe.