Tag 027 - Weiterfahrt durch Siebenbürgen
DO, 23.04.2015 – Weiterfahrt durch Siebenbürgen
Sibiu/ Hermannstadt – Ghimbav/ Weidenbach
Heute muss es wieder vorwärts gehen: Seit 26 Tagen bin ich bisher unterwegs, davon aber nur an 14 gefahren. Das ist ehrlich gesagt eine Katastrophe. Gegen Ende, vielleicht auch in der Mitte einer Reise darf so etwas passieren, nicht aber schon am Anfang. Beim Herausfahren aus dem Zentrum wird mir klar, dass es hier fast nur Einbahnstraßen gibt. Und ist man erst mal in die falsche Richtung gefahren, kommt man schlecht wieder zurück. Es ist wie in Basel: Wer dort als Auswärtiger Auto fahren kann, kann hier auch Velo fahren. Endlich raus aus dem Zentrum, bleibe ich stehen und orientiere mich auf der Landkarte. Dabei kommt gleich ein Mann (ca. 70) auf mich zu und fragt mich, ob ich deutsch spreche. Er kommt ursprünglich von hier, hat 20 Jahre in Homburg bzw. in Frankfurt am Main gearbeitet und wohnt jetzt ab und zu wieder hier. Freundlich weist er mir den Weg raus aus der Stadt Richtung Brașov/ Kronstadt. Es sind noch 135 Kilometer bis dort, was ein bisschen knapp werden könnte, da ich spät dran bin.
Zur Fahrt auf den Landstraßen
Autofahrer überholen auf der Gegenspur praktisch in dem Moment, in dem sie an mir vorbeifahren. Ganz so übel kann ich ihnen ihre Ungenauigkeit aber nicht nehmen, da viele nebenbei noch mit ihrem Handy beschäftigt sind. Ich kann hier also nur wiederholen, etwas ich schon bei anderen Touren geschrieben habe: Je näher man am Straßenrand fährt, desto mehr Gefahr besteht für einen. Wer knapp in der Mitte der eigenen Fahrbahn fährt, kann davon ausgehen, dass die Fahrer, die einen überholen, genügend Abstand halten bzw. damit noch warten und sich nicht zwischen einen selbst und die Mittellinie quetschen. Die PKW-Fahrer sind übrigens eher schlimmer als die LKW-Fahrer.
Zu den Fahrten durch die Dörfer
Wie seit Wochen komme ich immer wieder an sehr vielen kleinen Straßendörfern vorbei, in denen sehr oft Hühner gehalten werden und die Landwirtschaft noch eine bedeutende Rolle spielt. An manchen Ecken wird der Acker noch mit dem Pferd gepflügt. Und es gibt viele kleine Läden, wie ich sie auch noch aus meiner Kindheit kenne. Wer aber in die Städte aller bisher von mir durchfahrenen Ländern kommt, findet schnell vor allem deutsche, aber auch englische Geschäfte wie Aldi, Lidl, Kaufland, Deichmann oder Tesco. Ab Siebenbürgen gibt es übrigens kaum freilaufende Hunde, was die Fahrt sehr viel angenehmer macht. Und seit Ungarn treffe ich immer wieder auf Schafherden. Die Schäfer grüße ich immer bzw. winke immer zu, was diese auch immer freundlich erwidern. Trotz aller Verschiedenheiten gibt es da doch eine Gemeinsamkeit: Man ist als Mensch alleine unterwegs und freut sich immer, jemanden zu treffen oder wenigstens zu grüßen.
Was die meisten Dörfer schon seit spätestens Ungarn gemeinsam haben, sind die Stühle, die vor den Häusern stehen. Oft sitzen meist ältere Menschen auf ihnen und schauen, was so vor sich geht. Ab und zu sieht man auch kleine Gruppen, die sich wahrscheinlich über Gott und die Welt unterhalten und fragen, warum der junge Mann, der gerade an ihnen vorbeifährt, nicht das Auto nutzt.
In der Stadt Făgăraș/ Fogarasch gehe ich essen und werde auf Deutsch angesprochen. Der junge Mann (ca. 30) arbeitet in Deutschland, spricht aber fast nur Englisch mit mir.
Zu den verlassenen Kindern
Das Wetter ist heute bestens – es ist sonnig und angenehm warm. Der Wind ist meistens mit mir auf dem Weg, die zwei Berge am Anfang und Ende der Tour sind also nur halb so wild. Nach dem Überschreiten des Scheitels herrscht eher Windstille. Echt schön, dass es heute so reibungslos klappt und ich trotz dem späten Start um 12 schon gegen 20:30 in Ghimbav ankomme. Dort kann ich im „Prichindel" unterkommen. Das Haus gehört zum Verein „Pentru copii abandonaţi“, der im Ort etwa 20 Kinder und Jugendliche rund um die Uhr bereut, die von ihren Eltern verlassen worden sind. Dass dieser Verein in meinem Wohnort Basel gegründet worden ist, ist ein Zufall. Den Kontakt habe ich erhalten von Beatrice Ungar von der Hermannstädter Zeitung. Echt nett, ich habe nicht mal danach gefragt. Hier erhalte ich ein sehr schönes Gästezimmer für mich und kann mich vor allem mit Ionel und Ionut (beide 18) unterhalten. In der Einrichtung wird meistens Deutsch gesprochen, was die Kinder auch sehr gut können. Hier herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre. Nach ihrer Ausbildung haben schon viele der Kinder Arbeit in Deutschland und er Schweiz gefunden, Kontakte zu ihnen bestehen meistens weiterhin. Ganz besonders: Hier kann ich endlich meine Kleider waschen, zwei volle Maschinen.
Heute hätte ich einige noch bessere Fotos machen können, es gab sehr viele wunderbare Motive wie Gebirgsflüsse oder Menschen in den Dörfern. Nur, wenn vor, hinter und neben einem Autos fahren, kann man oft nicht spontan anhalten und Fotos machen.