Tag 020 - Vielversprechender Grenzübertritt
DO, 16. April 2015 – Vielversprechender Grenzübertritt
Szeged – Cenad/ Tschanad
Bis ich alles geregelt habe, ist es schon 16 Uhr. Doch ich will heute unbedingt noch starten, und sei es nur, um über die Grenze nach Rumänien zu kommen. Mit dem Paar, das die Unterkunft betreibt, unterhalte ich mich noch sehr gut. Der Chef ist der erste auf meiner Reise, der von der Gastfreundschaft der Iraner weiß und es gut findet, dass ich dorthin fahre.
Gestern habe ich mich dafür entschieden, über Timișoara/ Temeschburg und nicht über Arad nach Sibiu/ Hermannstadt zu fahren. Mein Weg für heute ist klar, dazu gibt es keine Alternativen. Das nützt mir aber nichts, wenn die Grenzbewohner, nicht einmal die an der Tankstelle arbeitenden, keinen Schimmer haben vom Weg zum Grenzübergang, der gerade mal 5 Kilometer entfernt ist. So fahre ich auf gut Glück ins Dorf Kiszombor. Im Dorf selbst treffe ich auf eine Frau, die zwar nur ungarisch spricht, aber genau versteht, was ich will. So folge ich ihrem Hinweis und sehe in einem Kreisverkehr mitten im Ort endlich das erste Hinweisschild auf Rumänien.
An der Grenze ist nicht viel los. Mein Weg zum ersten Beamten ist unnötig, da er erst an Transportgewichten von über 300 kg interessiert ist und da kann ich nicht mithalten. Die fünf ungarischen und rumänischen Grenzbeamten haben nicht viel zu tun und freuen sich darüber, dass ich bei ihnen vorbeischaue. Einer spricht mich gleich auf sehr gutem Deutsch an. Der andere fragt gleich, ob ich nicht beide Stempel im Reisepass haben will. Gerne. Für ein Gruppenfoto sind sie auch bereit und interessieren sich natürlich für meine weiteren Vorhaben. Vom Iran ist einer der Kollegen aber gar nicht begeistert.
Das nächste Dorf, das rumänische Cenad/ Tschanad, ist sehr lang, hat vier Kirchen und hier scheint es eine sehr bunt gemischte Bevölkerung zu geben: Rumänen, Roma, Deutschsprachige, außerdem leben durch Grenzverschiebungen sehr viele Ungarn in Rumänien. Da ich spät dran bin, fahre ich aber einfach durch, ohne es mir genauer anzuschauen. Am vorletzten Haus entdecke ich eine überdachte Hütte, in der ich vielleicht schlafen könnte. So gehe ich zum Chef der Steinmetze und frage ihn danach. Er, der sich auf englisch-deutsch als Jürgen vorstellt, bietet mir nach kurzem Überlegen zur Übernachtung das Sofa im Arbeitszimmer an, welches ich gerne annehme. Später kommt noch der Bürgermeister des Ortes dazu, Nicolae Crăciun. Er ist einer der vielen Donauschwaben aus der Region. Doch das allein reicht nicht: wir haben Verwandtschaft im gleichen Ort: in Denzlingen. Ich habe dort meine Eltern, er eine Tochter. Weitere Verwandte hat er in Emmendingen und kennt den Breisgau ganz gut.
Heute fahre ich nicht mal 50 Kilometer, aber wenigstens schlage ich nicht den falschen Weg ein.
Zu Rumänien:
Bisher war ich nur ein mal bei meiner Radtour nach Jerusalem 2007 hier. Allerdings nur für eine Nacht in Dobreta-Turnu-Severin. Da das Land einiges Sehenswertes zu bieten hat, will ich es näher kennen lernen und nicht nur durchfahren.
Ausserdem fällt mir der Weg raus aus Westeuropa nicht schwer. Meiner Erfahrung nach ist es ab hier viel leichter, dass man eine unbekannte Person trifft, die einen spontan zu sich zum Essen und Übernachten einlädt. Die ab hier beginnende Offenheit und Gastfreundschaft, die ihren Höhepunkt im Iran erreichen wird, macht das Reisen zu einem noch grösseren Vergnügen.