Tag 20 - Von Konstantinopel nach Bagdad

FR, 19. Juli 2013 - Von Konstantinopel nach Bagdad
Trzcianka (Schönlanke) - Mrocza (Mrotschen)

 

So ganz stimmt die Überschrift nicht. Konstantinopel heißt hier nämlich Konstantynowo und ich bin nur daran vorbeigefahren. Allerdings bin ich durch das polnische Bagdad gekommen. Es ist ein kleines Straßendorf wie viele Orte, die ich momentan passiere. In Deutschland würde man es nicht mal Dorf nennen, sondern nur Weiler, da diese Orte oft nur ein paar Dutzend Bewohner haben. Tatsächlich habe ich aber vor, mal ins „große“ Bagdad zu fahren, allerdings ebenfalls nicht durch Konstantinopel/ Istanbul. Mehr dazu in frühestens fünf Jahren, denn davor ist es mir kaum möglich und sicherheitstechnisch nicht gerade empfehlenswert. An mir soll es aber hoffentlich nicht scheitern.

Morgens wache ich um 7 bei Sonnenschein auf. Als ich um 9 losfahre ist es ziemlich wolkig und am See windet es ziemlich. Zeit also, endlich loszufahren, bevor ich hier hängenbleibe. In der Wäscherei "Sonia" in Piło lasse ich endlich meine Wäsche waschen. Das ist nötig, denn alle Handtücher sowie der Großteil der anderen Wäsche sind inzwischen klebrig und verdreckt. Waschküchen wie in Deutschland gibt es in Polen übrigens nicht. Dafür werde ich vom Chef zu einem Kuchen eingeladen, lehne den angebotenen Kaffee und Wodka aber dankend ab. Während der länger dauernden Waschzeit gehe ich im Zentrum in ein Restaurant. Sprachlich komme ich dort nicht ganz zurecht, werde aber gleich von der hinter mir anstehenden Person angesprochen. Er (ca. 45) hat 4 Jahre in Frankfurt gelebt und wohnt jetzt in London – einer Stadt, die er genau so wenig mag wie ich.

Unterwegs treffe ich die ersten Tourenradler auf dem Europaradweg R1: zwei Berliner Frauen mit zwei Kindern (8-12), die in Stettin gestartet sind und bis nach Danzig fahren wollen.Sehr schön, mal Andere zu treffen, die ebenfalls längere Strecken unterwegs sind. Die Fahrt entlang dem R1 gibt mir übrigens nicht viel. Ja, schöne Wälder und ein paar nette Kleinstörfer, in denen viele, vor allem Ältere, sehr erstaunt über mich als Tourenradler sind. Aber im Vergleich zu dem, was ich in Deutschland gesehen habe, finde ich die Strecke relativ schwach, die Sehenswürdigkeiten halten sich sehr in Grenzen. Und ein „Radweg“ wie man ihn in Deutschland und der Schweiz kennt, ist es auch nicht. Es sind meistens Verbindungsstraßen, oft sogar Bundesstraßen. Und viele Straßen sind so kaputt, dass ich mich nur auf die nächsten Meter vor mir konzentrieren muß, um nicht in Schlaglöcher reinzufahren, anstatt die Aussichten zu genießen. Das ist auch der Grund, warum ich recht wenige Fotos mache und große Strecken zurücklege. Auf jeden Fall eine Radstrecke, die ich bisher kaum empfehlen kann. Tut mir leid für die Organisatoren der Strecke, die bestimmt gute Absichten hatten.

Kurz vor 22 Uhr wird mir klar, dass ich keine kostenfreie Unterkunft oder Überdachung – es ist stark bewölkt – finden werde. Der Kontakt zu den Leuten im Lebensmittelladen in Mrocza bringt mir eigentlich gar nichts, denn alle wollen mich ins Hotel schicken. Mein Gefühl von der heutigen Strecke scheint sich zu bestätigen: ich bin hier einfach fremd. Schließlich kommt noch eine Frau, die recht gut Deutsch spricht und mir wird klar, dass man unter anderem geglaubt hat, ich bräuchte Geld von den von mir Angesprochenen. Schließlich gehe ich doch ins Hotel, der ersten bezahlten Übernachtung der Tour.

Das Einzige, wofür sich die heutige Fahrt gelohnt hat sind die sehr vielen schönen Frauen, die es in Polen gibt. Also noch mehr als es auf dem Rest der Welt sowieso schon gibt.

 

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