Tag 05 - Zwei Tagesstrecken am Stück
Tag 05 – Dienstag, 03. Juli 2012: Zwei Tagesstrecken am Stück
Allensbach – Konstanz – Schaffhausen – Basel
Regen
Mit dem frühen Losfahren wird es nichts. Als ich morgens den starken Regen höre und einen Blick aus dem Fenster werfe, lege ich mich noch mal schlafen. Dieser Vorgang wiederholt sich zwei Mal. Noch ein bisschen Kraft zu schöpfen, sehe ich aber nicht als Problem an. Um welche Uhrzeit ich in Basel ankommen werde, ist mir inzwischen nicht mehr wichtig, Hauptsache, es wird noch vor Mitternacht sein. Im allerschlimmsten Fall wäre es auch in Ordnung, wenn ich erst morgen bis zum Mittag an meinem Wohnort bin und dann bis 18:30 Freiburg erreiche, um den Vortrag zu halten. Dabei kommt mir in Erinnerung, dass mein Vater als Jugendlicher die Strecke von hier bis Basel auch schon mal an einem Tag gefahren ist. Und damals vor etwa 40 Jahren hatte er weder ein Tourenrad wie ich, noch eine Gangschaltung. Ich bin mir also sicher, heute noch in Basel anzukommen.
Für die Besichtigung von Basel – wie bei Konstanz oder Köln – werde ich wenig Zeit benötigen, schließlich wohne ich dort seit einem Jahr, habe dort schon während einem Praxissemester (2006) gewohnt und war auch sonst schon öfter in dieser wunderschönen Stadt am Dreiländereck Schweiz-Frankreich-Deutschland.
Später Start
Da es nicht aufhört zu regnen, ziehe ich das Mittagessen zeitlich vor – ein Frühstück gibt es bei mir sowieso fast nie. Das Wetter passt zu meinen bisherigen Erfahrungen – es regnet fast immer, wenn ich hier am Bodensee eine Radtour mache bzw. vorhabe. Kurz vor 11 verabschiede ich mich von meiner Schwester und begebe mich in Richtung Hegne, wo ich meine Großtante Resi (99) in einem Altenpflegeheim besuche. Weiter geht es nach Konstanz, wo ich mich noch schnell mit einem Ersatzakku für den Fotoapparat und einer Hülle für das Netbook eindecke. Um kurz vor 12 geht die eigentlich Tour endlich los. Ich will so schnell wie möglich vorankommen und der Weg bis Schaffhausen ist mir von einer früheren Fahrt schon bekannt. Direkt über die Schänzlebrücke und ab in die Schweiz. Dies ist der erste von unzähligen Grenzübertritten, die ich heute tätige. Natürlich rechne ich mir aus, wann ich etwa in Basel ankommen könnte – im Optimalfall halte ich es bis 20:30 für möglich.
Büsingen – Mittagessen in deutscher Exklave
Anfangs halte ich mich bei der Fahrt an die Radstrecke, die mir aufgrund des immer wiederkehrenden Regens mit der Zeit aber zu matschig wird. Die Dörfer entlang des Bodensees sind sehr malerisch, optimal geeignet für Touristen – jedenfalls bei schönem Wetter. In Stein am Rhein überquere ich den Rhein und bin gut in der Zeit. Um 14:30 komme ich in der einzigen deutschen Exklave, in Büsingen, an. Leider waren auf der ganzen bisherigen Strecke nahezu alle Restaurants, in denen ich essen wollte, geschlossen, weil heute Ruhetag ist. Wenigstens hat das Strandbad geöffnet. Es ist fast menschenleer, weil die einzige Zugangsstraße gerade saniert wird. Hier gönne ich mir ein „deutsches Essen“ – Bratwurst und Pommes. Die Preise sind hier allerdings – wie immerhin am Eingang angeschrieben – schweizerisch! Also teurer. Diese Preise kann man hier allerdings auch verlangen, weil die meisten Einwohner Büsingens in der Schweiz arbeiten oder sogar Schweizer sind. Auch sonst ist das Dorf sehr speziell: So steht im Dorfzentrum eine funktionierende deutsche neben einer schweizerischen Telefonzelle. Und vom Fest des letzten Wochenendes hängen am Straßenrand Flaggen der Schweizer Kantone. Um kurz nach 15 Uhr geht es weiter.
Der Schaffhausen Rheinfall und historische Ausdrucksart
Schaffhausen ist für meine Tour ein bedeutsamer Punkt. Nicht wegen dem berühmten Rheinfall. Nein, hier hat meine letzte Tour von Allensbach nach Basel geendet, da der Himmel sich sehr verdunkelt hat und ich mich gerade noch rechtzeitig in den Zug verziehen konnte, bevor ein heftiges Gewitter über der Stadt niederging. Die damalige Entscheidung war richtig. Doch heute soll es weitergehen – trotz des erneut regnerischen Wetters. So komme ich vorbei am im Fluss verankerten Holzkastenbad „Rhybadi“. Weiter fahre ich auf den Rheinfall zu, den größten Wasserfall Europas, der übrigens nicht in Schaffhausen, sondern in Neuhausen liegt. Allerdings ist „Neuhausen“ ein derart weit verbreiteter Ortsname, dass man lieber den markanteren Namen „Schaffhausen“ für dieses imposante Naturschauspiel gewählt hat. Auf dieses kann man nur einen Blick werfen, wenn man über das Schloss Laufen geht, gute Ortskenntnisse hat oder – so meine Erfahrung – mit dem Zug fährt. Der direkte Blick bleibt mir heute also leider, auch aus zeitlichen Gründen, verwehrt (s. Tour 2014). Denn obwohl ich hier zeitlich im Plan bin, fahre ich eine knappe Stunde in Neustadt herum, bis ich endlich den richtigen Weg gefunden habe. Den Radweg will ich nicht fortsetzen, da er mir zu stark landeinwärts in die Schweiz zu führen scheint. So frage ich einen Jungen und ein Mädchen, ca. 15 Jahre alt, nach dem besten Weg. Den können sie mir auch sagen, allerdings bin ich ein wenig verdutzt über die Info des Jungen: Wenn ich durch den Wald hinunterführe und den Rhein überquere, sei der Weg von dort aus gut ausgeschildert und ich käme gut ins „Deutsche Reich“. Das sagt er mit einer erschreckenden Gewohnheit und Natürlichkeit, die man verschieden interpretieren kann. Entweder scheint ihm nicht klar zu sein, dass er da eine Staatsbezeichnung benutzt, die schon im Geburtsjahr seiner Eltern historisch war. Oder, so glaube ich im Nachhinein, ist er sich dessen bewusst und benutzt die Bezeichnung, weil er damit seine Abneigung gegenüber Deutschland zeigen will. Oder, weil ihm fremdenfeindliches Gedankengut nicht ganz fremd ist und er mit entsprechenden Parteien sympathisiert, wie z.B. der SVP. Eine Kombination verschiedener Interpretationen ist aber auch nicht abwegig.
auf dem Weg nach Konstanz |
Kloster Hegne |
Einkauf |
Damm zur Insel Reichenau |
Stein am Rhein |
Stein am Rhein |
Grenze CH - D |
Büsingen |
Schaffhausen |
Schaffhausen |
Rhein, Schaffhausen |
oberhalb des Rheinfalls |
Direkter Weg nach Basel auf der Landstraße
Weiter geht es durch Waldshut-Tiengen, vorbei an Leibstadt (Schweiz), wo das erste AKW/ KKW meiner Radtour steht – Karlsruhe, Philippsburg, Biblis und Mülheim-Kärlich werden folgen, an Fessenheim werde ich knapp vorbeifahren. Von hier ab ist mir klar, dass ich Basel nur erreichen kann, wenn ich den kürzesten Weg nehme, also die Landstraße/ Bundesstraße auf der deutschen Seite. Die ist auf manchen Strecken zwar steil, aber man kann gut auf ihr fahren. Und es regnet nicht mal, es ist sogar eine sehr angenehme Fahrt. Ein paar Kilometer fahre ich mit einem Rennradfahrer mit – ein Novum! Der junge Schweizer (ca. 30) ist sehr sympathisch und erstaunt darüber, dass ich „einen ziemlichen Zacken draufhabe“. Als es bergauf geht, wird es für mich aber zu anstrengend, ich verabschiede mich und lasse ihn vor mir weiterfahren. Die Anstrengung von der Bodensee-Umfahrung mit Uwe habe ich noch in guter Erinnerung.
Ab hier fahre ich nahe dem Rhein durch das Industriegebiet Schweizerhalle und schaffe ich es noch, Basel zu erreichen. Und zwar während man die letzten Farbtöne der Abenddämmerung, die man rheinabwärts, eingebettet in das Altstadtpanorama, bestaunen kann. Um die Wäsche zu waschen, ist es allerdings zu spät.
Tipps für andere Reisende:
- Insel Reichenau: sie wäre optisch einer der schönsten Orte meiner Fahrt geworden, außerdem kommen meine Vorfahren von hier
- MühlenwegMuseum Allensbach : wurde vor gut einer Woche eröffnet; Ein Sohn von Fritz Mühlenweg, Andreas, war übrigens Namensgeber für mich. Das liegt daran, dass er – ein bisschen älter als mein Vater –, diesen auf dem Schulweg oft vor streitlustigen Mitschülern geschützt hat.
- Halbinsel Höri
- Schaffhausen: Rheinfall und Festungsanlage Munot
- AKW Beznau: das Dienstälteste der Welt (seit 1969 in Betrieb), liegt auf der Höhe von Waldshut-Tiengen auf der schweizerischen Rheinseite hinter den Bergen
- Laufenburg: sehr sehenswert – trotz des gesprengten kleinen Rheinfalls
- Brücke zwischen dem malerischen schweizerischen Rheinfelden und dem deutschen Rheinfelden (Baden): im St.Anna-Loch stürzt sich der Rhein von seiner dort üblichen Tiefe von 4 Metern in 32 Meter hinab
- Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden (AG): ist leicht mit einer Burg zu verwechseln, steht unter Denkmalschutz. Das Bier selbst schmeckt mir nicht besonders gut, dort wird inzwischen aber auch das vorzügliche Basler Warteckbier gebraut.
- Augusta Raurica: römische Siedlung vor den Toren Basels
Rhein, Waldshut |
KKW Leibstadt |
Rhein |
|
Sonnenuntergang |
Rhein |
Schweizerhalle |
Ankunft in Basel |
Rhein, Basel |
Bau der Messe |
Vollmond über Basel |