Tag 84 - Ein Bad im See Genezareth und eine von Durst geprägte Strecke

SA, 23.06.2007: Ein Bad im See Genezareth und eine von Durst geprägte Strecke 

Ein Tabgha – Nähe Beit She’an 

 

Die Nacht war kurz: Mein von einem der Pförtner ausgesuchter Schlafplatz war doch nicht der beste, denn der Chef hat mich da nicht haben wollen. So habe ich mich runter an den See gelegt. Das hätte ich gern von Anfang an gemacht, wäre ich nicht ausdrücklich vor den Tieren, die sich dort herumtreiben sollen, gewarnt worden. Nach einem weiteren kurzen Schlaf musste ich auch von dort verschwinden, habe mich davor aber noch kurz in den See Genezareth begeben: Das erste Schwimmen während meiner Tour. 

 

Pilgerhaus Tabgha, Unterkunft 2
Pilgerhaus Tabgha, Unterkunft 2
...und täglich grüsst der Klippschliefer
...und täglich grüsst der Klippschliefer
See Genezareth
See Genezareth
Pilgerhaus Tabgha
Pilgerhaus Tabgha
Tabgha, Waffenverbot
Tabgha, Waffenverbot
     

 

Fahrt um den See Genezareth 

Gegen 9:30 verlasse ich das Pilgerhaus (www.tabgha.net) und die Fahrt geht weiter, anfangs aber nur in kleinen Schritten: Ein Tabgha (hebräisch En Sheva) ist eine wichtige Pilgerstätte. Hier ist neben dem Benediktinerkloster die Brotvermehrungskirche zu finden. An diesem Ort soll Jesus 5.000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen gespeist haben und ein paar hundert Meter nebenan Simon Petrus zum ersten Papst beauftragt haben (http://de.wikipedia.org/wiki/Tabgha). Schön, mal da gewesen zu sein. Aber Begeisterung überfällt mich nicht gerade. Eher umgekehrt: Ein paar Touristen wollen unbedingt ein Foto von dem irren Radfahrer aus Deutschland machen. Wenigstens gibt es hier Trinkwasser aus dem Hahn, was auch bitter nötig ist. Denn, wie gesagt: ich habe weder Euro noch Dollar und schon gar keine Schekel. Und meine Vorratsflaschen sind alle leer. Durch das Auffüllen erspare ich mir möglicherweise die ständigen Erinnerungen vieler Leute daran, dass ich genügend trinken solle. Es kommt mir nämlich so vor, als hätten sich die Leute auf diese Ermahnung abgesprochen. Eigentlich ein guter Tipp, aber es würde mir schwer fallen, mit meinem Gepäck und der Hitze das Trinken zu vergessen. Angeblich sind es die höchsten Temperaturen seit Menschen Gedenken. Ein beschissener Zeitpunkt also, gerade jetzt hierher zu kommen, und dann auch noch als Radfahrer. 

 

Ein paar Minuten gefahren, kommt schon die nächste Kirche: Custodia di Terra Santa, Kafarnaum (s. http://198.62.75.1/www1/ofm/sites/TScpmain.html). In dem früheren Fischerdorf wohnte mein Namenspatron, Andreas. Für die Ausgrabungsstätte gebe ich meine letzten Euro-Reste her, die gerade ausreichen. Hier nerven mich die Pilger sogar ein bisschen: Die meisten sind hier sehr frömmelnd unterwegs. Und weil in der dortigen Kirche der schwarzafrikanische Pilgerchor singen will, müssen alle anderen rausgehen. 

 

Kirche Nr.3: Ein paar Meter weiter kommt die nächste Kirche, eine griechisch-orthodoxe. Hier darf man erst gar nicht rein. Also eine Gelegeneheit, wieder eine Pause zu machen. Die ist, nach dem kurzen Schlaf und den Temperaturen auch alle 15 Minuten nötig. So mache ich mich über meinen letzten Speiserest, eine Honigmelone, her. Dabei habe ich mich wohl leicht vertan mit der Zeitspanne zwischen Einkauf und Verzehr: Beim Einschnitt in die Melone entweicht erst mal Gas. Essen, oder besser gesagt, trinken, kann man die Melone aber noch.  

Über die Jordanbrücke ist bald die Ostseite des Sees Genezareth erreicht, und geht es wieder in den Süden. 

Ich fahre kurz in den Kibbuz En Gev, der aber nicht besonders interessant ist. Neben der Rindzuchtanlage gibt es hier fast nur (heute geschlossene) Geschäfte und einen Schwimmbereich am See. Vorbei geht es an den östlich gelegenen syrischen Golanhöhen, die Israel seit 1967 besetzt. Auch vorbei an Hamat Gader am Yarmuk, einer (nach den ursprünglichen Grenzen) zwischen Syrien und Jordanien „eingeklemmtne“ Ortschaft Israels. Die Stadt ist auch Teil der römischen Dekapolis, von der noch einige Ruinen erhalten sind (s. www.biblewalks.com/Sites/HammatGader.html). Aber bei der Hitze ist mir das einfach zu viel und ich fahre weiter. 


Frühstück mittags um 3 

Neben der unerträglich hohen Temperatur und einigen Steigungen gibt es noch ein Problem: Ich bin an einem Freitag, dem islamischen Ruhetag, durch Jordanien gefahren und komme am Samstag, dem jüdischen Ruhetag, hier an. Zudem fahre ich heute durch ein Gebiet, in dem es verdammt schwer ist, irgend einen Laden zu finden. 

Am Mittag, kurz vor 15 Uhr, werden meine Gebete erhört: In Zemach finde ich endlich einen Bankautomaten, an dem ich Geld abheben kann. Wird auch mal Zeit, denn ich habe inzwischen auch nichts mehr zu trinken, da ich das nach kurzer Sonneneinwirkung brühend heiße Wasser alle 15-20 Minuten angezapft habe. Der letzte Essensrest war die wässrige Honigmelone von heute früh. So gönne ich mir jetzt ein Körnerbrot mit Olivencreme und Humus dazu, eine gute Prise Salz besorge ich mir im Restaurant neben dem Laden. Endlich wieder mal richtig essen und dazu eine 1,5 l-Flasche Malzbier! Einen dringend notwendigen Mittagsschlaf kann ich mir aber nicht gönnen, da mich nach kürzester Zeit die Fliegen belagern. Es bleibt also nicht weiteres übrig, als weiterzufahren:


Tabgha, Brotvermehrungskirche
Tabgha, Brotvermehrungskirche
See Genezareth
See Genezareth
Kafarnaum, Petruskirche
Kafarnaum, Petruskirche
Kafarnaum, Custodia di Terra Santa
Kafarnaum, Custodia di Terra Santa
Kafarnaum, griechisch-orthodoxe Kirche
Kafarnaum, griechisch-orthodoxe Kirche
See Genezareth, Blick in den Osten (Golanhöhen)
See Genezareth, Blick in den Osten (Golanhöhen)
Bootfahren im Jordan
Bootfahren im Jordan
See Genezareth, Blick in den Westen (Hörner von Hattin)
See Genezareth, Blick in den Westen (Hörner von Hattin)
See Genezareth, Minenwarnung und Zeltplätze
See Genezareth, Minenwarnung und Zeltplätze
See Genezareth, Blick in den Süden (Golanhöhen)
See Genezareth, Blick in den Süden (Golanhöhen)
für kurze Zeit eine entspannende Fahrtstrecke
für kurze Zeit eine entspannende Fahrtstrecke
 

 

Fahrt in den Süden durch eine mir verschlossene Welt 

Einfach die Autobahn weiter Richtung Süden. Weiterhin halte ich an jedem möglichen Unterschlupf, i.d.R. Bushaltestellen, an, trinke und suche im Schatten ein wenig Entspannung. Dabei kann ich auch meinen ersten Platten der ganzen Fahrt flicken. Der wäre mir allerdings erspart geblieben, hätte ich nicht in Wien einen Reifen gewechselt, um noch einen in Reserve zu haben. 

Gegen 19:30 Uhr komme ich auf der Höhe von Beit She’an an, also auf der Höhe, auf der ich gestern die Grenze passiert habe. Die Stadt, früher als Scythopolis bekannt, war Teil der griechisch-römischen Dekapolis und es gibt noch viele Überreste aus dieser Zeit (s. http://en.wikipedia.org/wiki/Beit_She%27an). In der Stadt stehen die Chancen schlecht, eine Unterkunft finden zu können. Ich fahre die Innenstadt ein, zwei Mal ab, doch Menschen sind hier kaum zu sehen. Liegt wohl am Sabbat, den die Juden hier wohl sehr ernst nehmen. Auch sonst scheinen die meisten hier sehr „fromm“ zu sein: Fast alle Frauen tragen hier Kopftücher. Orthodoxe Jüdinnen haben nach der Hochzeit oft auch einen kahlrasierten Kopf und tragen darüber eine Perücke. 

Ich gewinne schnell den Eindruck, dass ich hier ziemlich auffalle. Auch schon deswegen, da eben fast niemand auf der Straße ist. Die drei, vier Leute, bei denen ich mich nach einer Unterkunft informiere, bringen mich nicht weiter: Ein älterer Herr empfiehlt mir ein Hotel, was sich bei meiner finanziellen Lage von selbst erledigt hat. Eine junge Frau hält mich wohl für total bescheuert und hat schon ein Problem damit, mir abzukaufen, dass ich vom See Genezareth hier runter gefahren bin – mit dem Fahrrad! Da sie ziemlich überfordert zu sein scheint mit mir, erspare ich ihr lieber die Erwähnung meines bisher zurückgelegten Weges. Ein Asiate, der hier Gastarbeiter ist, hat keinen blassen Schimmer von der Stadt. 

Also wieder raus aus der Stadt, weiter in den Süden. Da aber weder die Zeit – es ist kurz vor 20 Uhr – noch die Landkarte was hergeben, entschließe ich mich notgedrungen dazu, nach langer Zeit wieder mal mein Zelt zum Einsatz zu bringen. So verziehe ich mich ein wenig südlich von Bet She’an zwischen den Olivenhainen. Nachdem ich endlich einen Platz gefunden habe, der nicht von Erdlöchern durchzogen ist, muss ich mich nur noch mit dem durch die Trockenheit steinharten Boden auseinandersetzen. Letztendlich klappt es doch und ich gehe wieder mal recht früh ins Bett. 

 

weiter Richtung Süden auf der Landstraße 90
weiter Richtung Süden auf der Landstraße 90
erster Platten während der Fahrt
erster Platten während der Fahrt
Blick über den Jordan nach Jordanien
Blick über den Jordan nach Jordanien
immer näher am Ziel
immer näher am Ziel
Jüdischer Friedhof
Jüdischer Friedhof
     

 

 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 20 Feb 2016 11:51:28

Tag 84 - Ein Bad im See Genezareth und eine von Durst geprägte Strecke Menu