Tag 81 - Resümee Syrien
MI, 20.06.2007: Resümee Syrien
Damaskus
Von heute gibt es nichts Neues zu berichten, da ich etwa 10 Stunden am Rechner damit verbringe, Bilder und Texte zu bearbeiten.
Deswegen hier etwas für diejenigen, die kontinuierlich meine Berichte verfolgt haben: Am 15.Juni wurde berichtet: „Die Erklärung von Bern (EvB) freut sich, dass die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ihren bereits gesprochenen Kredit an das umstrittene Ilisu-Projekt am Tigris in der Türkei zurückgezogen hat.” (www.evb.ch/p25012904.html). Somit liegen die Pläne für den Staudamm, der Hasankeyf (s. www.reise-nach-jerusalem-2007.de/tagebuch62.html) unter Wasser gesetzt hätte, (vorerst) wieder mal auf Eis. Zum Glück.
Resümee zu meinem Aufenthalt in Syrien:
Zu meiner Unterkunft in Damaskus:
Eigentlich empfehle ich Hotels nicht gerne, aber beim „Al Rabie“ (an der Al Arabi-Street) stimmt wirklich alles: Neben den – auch für Syrer – günstigen Übernachtungspreisen und dem hilfsbereiten Personal gibt es in der direkten Nähe einfach alles: Essen für jeden Geschmack, Getränkebars, Handwerker, Allerleiläden, Internetcafes,... –ebenfalls zu guten Preisen.
An meinem letzten Tag sind im Hotel fast nur noch junge Leute aus dem englischsprachigen Raum: Ein Australier, der hier ein Arabisch-Studium beginnen will, einige Amerikaner, die auf der Durchreise in die Türkei sind und eine Kanadierin aus Quebec. Was ich bisher nicht wusste: Um nicht in die falsche Schublade gesteckt zu werden, haben kanadische Urlauber angeblich zu etwa 80% eine Landesflagge auf ihren Rucksäcken, damit man sie nicht aus Versehen für Amis hält.
Kultur:
Eine Reise hierher kann ich nur empfehlen: In diesem Land befinden sich die ältesten Städte der Welt (Damaskus und Aleppo wurden vor über 8000 Jahren gegründet), die älteste Zivilisation war hier angesiedelt (erstes Alphabet in Ugarit entdeckt) und es war das Zentrum von Hochkulturen, die alle ihre Spuren hinterlassen haben - Griechen, Nabatäer, Römer, Byzantiner, Omayyaden, Kreuzritter, Mameluken, Osmanen sind hier ebenso zu finden wie alte Handelsstraßen (Seidenstraße). Und nicht zuletzt gibt es hier Pilgerrouten für Christen und Moslems. (vgl. www.nawafir-tours.com/de/information/syria/at_glance/).
Bevölkerung:
Die Menschen hier habe ich als sehr gastfreundlich und entgegenkommend erlebt. Sie helfen immer weiter (wenn auch manchmal unnötig), haben ein offenes Herz und eine offene Tür. Denn laut Islam, so wird gesagt, haben alle Menschen die gleichen Rechte, müssen Teil haben dürfen am Ganzen. Die Menschen, die ich treffe (Moslems und Christen), denken i.d.R. auch so. Allerdings treffe ich die Reichen nicht. Die haben nämlich eigene Regeln im Islam entdeckt: Verteilt wird da höchstens unter der Oberschicht selbst. Trotzdem: Fast alle denken hier ans Leben an sich und nicht an die (religiösen oder finanziellen) Unterschiede zwischen den Menschen.
Visa für die Syrer:
Für syrische Christen ist es leider schwerer als für Moslems, ein Visum zu bekommen, um das Land zu verlassen. Es besteht wohl vom Staat her die Befürchtung, dass sie nicht mehr zurückkommen oder in die „Heilige Stadt“ Jerusalem, also ins Feindesland Israel, wollen. Als (europäischer) Reisender scheint einem die Situation hier nur schwer verstehbar.
Nachtleben:
Als angehender Sozialarbeiter, der auch noch eine Diplomarbeit mit dem Thema „Interkulturelle Kompetenz“ zu schreiben hat, hätte ich mich eigentlich schon mal präziser am Märtyrer-Platz umsehen sollen, um den herum viele der etwa 120 „Night Clubs” liegen, in denen sich vor allem Russinnen und Irakerinnen ihr Geld verdienen (www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,412818,00.html). Vielleicht hol ich das beim nächsten Besuch nach.
Eine Befürchtung:
Leute wie George Bush wollen ihren „Kampf gegen den Terrorismus” fortsetzen und der Welt ihre demokratischen Werte mit Bomben implementieren. Dazu könnte auch Syrien gehören. Doch „das Experiment des Demokratie-Exports in die arabische Welt (ist) blutig gescheitert”, ganz zu schweigen von Desinformation und der Missachtung internationaler Gremien. (vgl. www.spiegel.de/spiegel/0,1518,495957-2,00.html).
Vor dem amerikanischen Angriffskrieg haben die Christen und andere Religionen im Irak mehr oder weniger frei leben können. Die Christen sind inzwischen zu einem großen Teil geflüchtet, die Sunniten und Schiiten schlachten sich gegenseitig ab (wobei die Kämpfer oft aus dem Ausland kommen). Was, wenn der Westen wieder mal mit seinen angeblich demokratisch geleiteten Ansichten ein Land „befreien” will? Und was, wenn es dabei Syrien trifft? Sicher, das Land ist weit davon entfernt, eine Demokratie zu sein und hat inzwischen durch die vielen irakischen Flüchtlinge (ca. 2 Millionen bei 20 Millionen Einwohnern) noch einige Probleme zusätzlich aufgehalst bekommen. Doch die Menschen leben hier friedlich zusammen. Auch wenn es z.T. sicher daran liegt, dass Polizei und Geheimdienste überall anwesend sind. Aber eine „demokratische Alternative“ wie im Irak wünscht man sich nicht herbei und kann nur hoffen, dass es dazu nicht kommt.