Tag 80 - Syrien und die Kriegsflüchtlinge
DI, 19.06.2007 – Syrien und die Kriegsflüchtlinge
Damaskus
Eindrücke von der Arbeit der Caritas in Damaskus
Heute gehe ich die letzte Radtour durch Damaskus an. Die syrisch-katholische Kirche liegt auf meinem Weg nach Jaramana:
Wieder mal bin ich nur mit wenig Wissen über meinen Zielort unterwegs, aber der Begriff "Caritas" reicht völlig aus. Diese versorgt in Jaramana (Stadtteil von Damaskus) die hier lebenden irakischen Flüchtlinge. Seit dem Kriegsbeginn 2003 sind 2 Millionen auf der Flucht im eigenen Land, über 2 Millionen flohen ins Ausland. Von diesen sind 1,4 Millionen nach Syrien geflüchtet, das selbst nur 20 Millionen Einwohner hat und nun an die Grenze seiner Aufnahmefähigkeit stößt. Aber weiterhin kommen monatlich etwa 30.000 neue Flüchtlinge. Unter diesen sind auch Palästinenser, die nun ihre lebenslange Flucht fortsetzen (vgl. www.unhcr.de, s. www.caritas-international.de).
Die Irakis fliehen vor Gewalt, Gesetzlosigkeit und schließlich auch vor der Armut. Überproportional viele Flüchtlinge sind Christen, die vor dem religiösen Extremismus fliehen, der aus dem Ausland in den Irak eindringt und das Land erdrückt. So soll seit Kriegsbeginn die Hälfte der irakischen Christen geflohen sein (vgl. www.oecumene.radiovaticana.org). Seit über einem Jahr nimmt aber auch die Zahl der Sunniten und Schiiten unter den Flüchtenden zu – Terror, Gewalt und Kriminalität kennen eben keine Grenzen.
Dabei fühle ich mich erinnert an Mohammed, einen Iraki. Er hat in Istanbul im gleichen Hotel wie ich übernachtet und davor Archäologie studiert. Sein Professor, den er wie seinen Vater angesehen hat, war Christ. Eine Zeit lang war er verschwunden und ist dann vor etwa einem Monat wieder aufgetaucht. Jedenfalls sein Rumpf, der Kopf hat gefehlt.
Die Syrer bieten den Flüchtlingen ihre Krankenhäuser und Schulen an. Doch die 20 Millionen Einwohner sind selber arm, wodurch ihr Unmut gegen die Irakis wächst. Denn diese sind nur die Spitze des Eisberges – es gibt dazu noch hunderttausende Flüchtlinge aus Palästina, Afghanistan und dem Sudan. Eine Situation, bei der wohl jede noch so große Gastfreundschaft über ihre Grenzen hinaus strapaziertt wird. Die Zeit wird zeigen, wie sich die Situation entwickelt. Es gilt aber Spannungen abzubauen, bevor sie sich anderweitig entladen. Im Übrigen ist das ein Armutszeugnis für die soziale Politik Deutschlands und seiner Nachbarn. Allein Schweden ist momentan bereit, irakische Flüchtlinge in nennenswerter, sogar umfangreicher Anzahl einreisen zu lassen.
Diese wiederum haben immer weniger Zuversicht, in ihre Heimat zurückkehren zu können und sehnen sich nach einem Leben in größerer Sicherheit und Wohlstand im Westen.
Aus Zeitgründen kann ich natürlich nicht in das Privatleben der Flüchtlinge reinschauen, versuche aber, so viel wie möglich durch die Straßenkontakte und das Gespräch mit Houloud Jadoun, der Sozialarbeiterin und Leiterin der Caritas Jaramana (s. www.caritas-international.de (Artikel 1) und www.caritas-international.de (Artikel 2)) zu erfahren. Es werden Workshops, Nachhilfe, Essensmarken angeboten. Die Sommerlager (2006: Kafroun, nahe Homs) sind ein Angebot nur für christliche Kinder, die sonstigen Angebote sind aber für alle zugänglich.
Momentan gibt es keine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen außer der Kirche und der UNHCR(www.unhcr.de, de.wikipedia.org). Offizielle Kontakte zur staatlichen Verwaltung gibt es nicht.
Die Flüchtlinge haben aber eine unsichere Zukunft, leben nur im Heute, werden ziellos. Wie gesagt, es ist schwer, rauszukommen. Und in Syrien selbst dürfen Irakis keine öffentliche Arbeit wahrnehmen und auch andere Arbeitsstellen sind schwer zu finden; allein schon deswegen, weil es grundsätzlich wenige gibt. Die daraus resultierende Arbeitslosigkeit führt dazu, dass auch die letzten Reserven aufgebraucht werden. Allerdings haben viele Irakis den Vorteil, Verwandte und Bekannte im Ausland (v.a. Kanada und Australien) zu haben, die sie finanziell unterstützen. Diesen Vorteil haben nur die wenigsten Syrer. Auch hierdurch entstehen natürlich Spannungen im Land.
Bei der Arbeit hilft oft allein das Zuhören schon, um die Probleme zu lösen. Es sind einfach sehr viele Lasten, die auf die Menschen hier drücken. Auch Houloud selbst hat einen Traum: Einmal nach Bethlehem und Jerusalem zu reisen und ohne Probleme wieder heimkehren können.
Jaramana existiert seit etwa 20 Jahren, seit 4-5 Jahren gibt es auch Häuser. Irakische Flüchtlinge gab es also auch schon vor dem Krieg. Zudem gibt es hier auch eine nicht geringe Zahl von indonesischen Flüchtlingen. Die Einrichtung in Damaskus ist die Zentrale für ganz Syrien. Ansonsten gibt es nur zwei Caritas-Einrichtungen in Syrien und zwar im Norden des Landes.
Weiter geht die Radtour zum großen Park, in dem angeblich Themengärten sind, die ich aber nicht finden kann. Was mich hier auch noch angezogen hätte, ist das Blumenfestival im großen Tishreen-Park. Laut Wikipedia findet es zwischen 15. und 30.Juni statt, also genau die Zeit meines Aufenthalts. Die Angabe stimmt aber nicht: Laut Auskunft des Ministeriums für Tourismus findet sie im Mai statt, laut Bewohnern im September. Aber auf jeden Fall nicht jetzt. Ein angebliches Museum über Quneitra ("Oktober-Krieg-Panorama"), das sich wohl hier befinden soll, finde ich auch nicht.
Syrisch-Katholische Kirche Damaskus |
Kirche in Jeramana |
mit Houloud Jadoun, Caritas |
Neubau in Jeramana |
Franziskanische Kirche und Moschee |
Umbau des Al Abbasiin-Platzes |
Reparatur der Sandalen |