Tag 75 - Gedanken über Pilgern und Reisefreiheit

DO, 14.06.2007 - Gedanken über Pilgern und Reisefreiheit


Damaskus

Da man beim Radfahren meistens nicht viel zu tun hat und gut nachdenken kann, wenn einem nicht gerade der Wind um die Ohren saust oder der Verkehr stört, kam ich vor ein paar Tagen auf folgendes Thema:
Können die Christen Syriens nach Jerusalem pilgern?
Die Moslems werden ja kein Problem damit haben, ins verhältnismäßig „nahe“ gelegene Mekka zu kommen. Aber können die Christen, die hier etwa 15% der Bevölkerung ausmachen, in die "Heilige Stadt", die wirklich gerade „um die Ecke“ liegt, pilgern? Schließlich sind Syrien und Israel ja total miteinander verfeindet.
Auf die Frage gebe ich mir selbst die Antwort: Ein Syrer wird wohl nicht auf die Idee kommen, freiwillig nach Israel zu gehen. Erstens wird er Probleme haben, dort hinein zu kommen und zweitens wird er wahrscheinlich gar nicht mehr nach Syrien zurückkehren können. Und wenn, dann mit recht unangenehmen Folgen. (Manche allerdings wollen in Israel bleiben). Eine Pilgerfahrt hat sich damit also erledigt.
Wie aber gehen gläubige Christen in Syrien damit um? Es scheint wohl ein lebenslang unerfüllter Traum zu sein. Doch trotz aller Feindschaften zwischen den Staaten gibt es doch Hoffnung bei den Menschen. Zudem könnte Präsident Assad ja das machen, was es auch ist: Die ganze Geschichte zuerst nicht auf politische, sondern auf religiöse Weise betrachten und anpacken. Den Begriff "Israel" könnte er sich dabei auch sparen, wie es sowieso ziemlich alle Syrer machen. Dort heißt es allenfalls "besetztes Palästina".
Zur Hoffnung: Vor vier Jahren habe ich in Hasankeyf/ Türkei junge (jüdische) Israelis getroffen, von denen einer den größten Wunsch hat, ein Mal in seinem Leben nach Damaskus zu gehen, um eine Falaffel zu essen. Und ich habe auch hier in Syrien viele (Christen) getroffen, die in ihrem Leben ein Mal problemlos nach Jerusalem gehen wollen.

Zurück zu Damaskus:
Ich habe den Eindruck, als gebe es hier mehr Rothaarige als in Deutschland. Außerdem fallen die hier unter den großteils Schwarzhaarigen mehr auf. Und bei den Kindern sieht man auch einige Blonde, was sich mit den Jahren aber verliert.

Im Hotel ist Doris aus Deutschland. Sie lebt abwechselnd in Basel und in Marokko. Außerdem hat sie einen guten Tipp gegen Durchfall: Agaja-Pulver aus Süd-Marokko. Kriegt man aber eben nur dort.

Am Abend gehe ich mit Ai aus Japan noch ein Bier trinken in einem Restaurant direkt um die Ecke am Al-Schuhada-Platz. Hier habe ich durch meine Tischnachbarschaft vor vier Jahren erfahren, dass es nicht "nur" ein Restaurant sei, in dem es Bier gibt, sondern dass es auch ein Treffpunkt von Schwulen sei. Das hat mich ziemlich überrascht in einem Land, in dem es offiziell sicherlich keine Schwulen gibt. Doch wenn man mit den Leuten redet, gibt es hier doch einiges, was man nicht unbedingt erwarten würde.

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