Tag 73 - Pater Paolo, die Hl. Thekla und abendlicher Tee
DI, 12.06.2007 - Pater Paolo, die Hl. Thekla und abendlicher Tee
Kloster Deir Mar Musa – (Kloster) Maalula – Damaskus
Um 8:30 steige ich den Treppenweg zum Kloster hinauf. Das Kloster Deir Mar Musa hat einen Eingang, der nur für einigermaßen gelenkige Leute geeignet ist. Anfangs denke ich gar nicht darüber nach, wo die "Türe" hinführen könnte, steige einfach aus Interesse rein und stehe auf ein Mal mitten im Kloster. Mein anfängliches Staunen in der Kirche erweist sich aber als Irrtum. Die vier Männer in der Kirche halte ich aufgrund ihrer Gewänder nämlich fälschlicherweise für Moslems. Tatsächlich sind hier Pater Paolo und drei Brüder am Besprechen bzw. Interpretieren von Bibeltexten – den morgendlichen Gottesdienst habe ich leider um eine halbe Stunde verpasst. Ganz so falsch hab ich aber nicht gelegen mit meiner Vermutung: Durch meine vorherige Information über die interreligiösen Kontakte hier, ähnlich denen in Antakya, habe ich einfach ein bisschen zu viel hinein interpretiert. Zudem muss ich hier anmerken, dass dieser Ort oft mit falschen Aussagen und Gerüchten verbunden wird: So wurde schon des Öfteren behauptet, Pater Paolo sei tot oder von der Kirche seines Amtes enthoben. Außerdem wird er außerhalb der Kirche in seinen Alltagskleidern nicht selten nach stundenlangen Gesprächen gefragt, wo denn nun der Pater Paolo sei.
Nach dem Frühstück und einigen Gesprächen weiß ich mehr über das Kloster mitten in der Wüste: Es war lange Zeit verlassen, wurde seit 1984 durch Pater Paolo – einem Italiener - wieder aufgebaut und erweitert und wird heute als Ort des Dialogs zwischen den Religionen genutzt. (s. www.deirmarmusa.org; de.wikipedia.org)
Erwähnenswert ist auch die Versorgungsweise der Brüder und Schwestern: sie lauft über eine Seilbahn, die runter ins Tal fährt. (S. Fotos)
Morgengrauen vor dem Kloster Deir Marmusa |
in der Kirche |
mit Pater Paolo |
Seilbahn des Klosters Deir Marmusa |
Weiter geht die Fahrt nach einem Mittagsschlaf. Ich fahre ein Stück, zuerst sehr steil und schnell den Berg runter, dann wieder rauf. Nach einer Weile halte ich eines der wenigen Autos an, welches mich nach Al Nabk mitnimmt. Vom Fahrer abgesetzt, strample ich nach ein paar Metern auf der Autobahn wieder in eine bergige Region, um nach Maalula zu kommen.
Die meisten Orte, die ich besuche, liegen auf Bergen – Jugendherbergen, Klöster,... Außerdem stimmen die Kilometerangaben der Karten kaum mit der Realität überein. Die Karten Syriens sind ohnehin ein Fall für sich. Je nach Karte ist das Gebiet um Antakya noch Syrien zugehörig. Auch Israel gibt es nicht - das heißt zusammen mit der Westbank und dem Gaza-Streifen Palästina; überraschend ist das ja nicht bei den (offiziell nicht vorhandenen) Beziehungen untereinander. Nicht ganz schlüssig ist mir aber, weshalb auf den Karten immer noch Jugoslawien existiert.
Das oberhalb Maalulas gelegene Kloster Mar Sarkis (griechisch-katholisch) erreiche ich nach einer wunderschönen Fahrt. Zu Kloster und Kirche der Hl. Thekla (griechisch- orthodox) , kommt man auch über einen "Hintereingang" (Zeichnung von Pater Paolo) durch die Bergschluchten. Leider nehme ich den Weg nicht, er scheint doch mit dem Rad zu schwierig zu sein. Und Entscheidungen fallen schwerer, wenn man nebenher vollgelabert wird, diese und jene Nuss zu probieren und doch wenigstens 100 Gramm davon zu kaufen... Hier noch was zum Kloster, auch wenn ich nicht dort war (das ist Grund genug für einen weitern Besuch Syriens!): Es liegt wunderschön an den Hängen des Antilibanon (wunderschönes Bild unter www.stefaniemoehrle.de, Info zur Hl. Thekla unter www.heiligenlexikon.de).
In Maalula und zwei benachbarten Orten ist das biblische Aramäisch- also die „Muttersprache“ Jesu - immer noch Umgangssprache.
Maalula hat – wie ich morgen in einem Gespräch erfahren werde, erst seit wenigen Jahren Muslime als Einwohner. Eine 5-6 köpfige Familie wurde angeblich verfolgt und Maalula hat sie dann aufgenommen. Inzwischen umfasst die Großfamilie etwa 30 Leute. Das ist ja auch kein Problem. Und ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht: Mir fällt auf, dass sich der Islam – in welcher Richtung auch immer und von wem auch immer bestimmt – hier auf eine unangenehme, aufdringliche Weise ausbreitet. In Maalula steht nämlich am Ortseingang (Richtung Damaskus) eine brandneue, noch nicht mal verputzte Moschee mit einem riesigen Minarett. Wie ich morgen noch sehen und mir erklären lassen werde, sind auch im christlichen Viertel von Damaskus in den letzten Jahren Moscheen gebaut worden. Oder, besser gesagt, alte Türme wurden zu Minaretten umgebaut. Muslime mussten dann aber erst "angesiedelt" werden.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich die Verantwortlichen – die laut meinem Gesprächspartner sehr hohe Summen bezahlen, um von Christen bewohnte Häuser aufzukaufen – dadurch beliebt machen. Eher scheint es das Jahrhunderte lange, i.d.R. friedliche Nebeneinander und Zusammenleben zu stören.
Laut Houloud, die ich ein paar Tage später in Damaskus-Jaramana treffen werde, gibt es über das Nachbardorf Jabadien eine seltsame Geschichte: hier sollen auf ein Mal - auf friedliche Weise - alle Christen Moslems geworden sein. Wer mehr dazu weiss...
Eine gegenläufige Entwicklung, nämlich das Verschwinden von Religionen, findet seit etwa 100 Jahren im ganzen Nahen Osten und Arabien statt: Die Juden sind zum Großteil nach Israel bzw. nach Palästina "in die Heimat", die Christen ziehen weg aufgrund politischer (Irak) oder wirtschaftlicher (Palästina) Gründe. Schade, dass somit eine über Jahrhunderte gewachsene Kultur "verschwindet".
Kloster Maalula, eingebettet zwischen den Bergen |
Kloster Maalula |
Maalula - eine Stadt voller Kirchen |
Hinweisschild auf das aramäische Sprachinstitut |
Maalula |
Weiter geht es, vorbei an Bergketten und Tälern und den höher gelegenen Sommerresidenzen der Syrer, nach Damaskus. Einen Kurzbesuch des Klosters Cherubin (erbaut im 3.Jh.) und der Kirche St.Sophie in Saidnaia (angeblich auch für Moslems sehr interessant) lasse ich aus. Es war heute christlich genug und ich will vor der Dunkelheit in Damaskus ankommen, was ich auch gerade noch schaffe. Kaum noch daran glaubend, geht es kurz nach Saidnaia auf ein Mal nur noch bergab. Und das kilometerlang durch Vorstädte, Täler und viele Kurven. Als es dunkel wird, schaltet sich gerade rechtzeitig die durchgehende Straßenbeleuchtung ein. Vorbei am Berg Qasyun, dem Hausberg, geht es hinunter ins alte Damaskus. Die hier gelegenen Restaurants bieten eine gute Aussicht über die Stadt.
Ich kann mich also wieder beruhigen, denn auf eine Weiterfahrt in der Dunkelheit habe ich wirklich keine Lust. Also genügend Zeit, um bei Siham und ihrer Familie einen Tee zu trinken und Fotos von der Stadt in der Dunkelheit zu machen. Nach einer Stunde Hotelsuche (wegen falscher Adressen-Angabe) komm ich gegen 22:30 im Hotel "Al Rabie" an.
unterwegs |
unterwegs |
Zusammenarbeit Rotes Kreuz und Halbmond |
christliches Seniorenzentrum |
Ankunft in Damaskus |
neben Siham (rechts) mit Familie |
Damaskus bei Nacht |