Tag 71 - Uralte Wasserräder und moderne „Schurkenstaat-Politik“
SO, 10.06.2007 - Uralte Wasserräder und moderne „Schurkenstaat-Politik“
Aleppo – Hama
Die Fahrt starte ich heute extrem spät – um 14:30 – sie ist aber wieder ein Traum: Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 20 km/h fahre ich Richtung Süden nach Hama am Orontes. Trotz aller Bedenken habe ich doch die Autobahn gewählt, die man aber eher mit einer wenig befahrenen Schnellstrasse vergleichen kann. Den Stress mit den zusätzlichen Kilometern und Orientierungsproblemen bei einer Fahrt übers Land kann ich mir also sparen. Außerdem ist der Straßenbelag hier traumhaft, nach den vielen Wochen in der Türkei sowieso. Hier fährt übrigens jeder wie er will: Entweder so "wie es sich gehört", man kann aber auch, vor allem mit Zweirädern, auf dem Seitenstreifen gegen die Fahrtrichtung fahren. Genau so gut kann man dort aber auch im Rückwärtsgang fahren, besonders als LKW oder Traktor. Oder einfach mit Vollgas auf der falschen Fahrspur – hier geht alles!
Ich mache kurz Halt in Ebla, einer Ruinenstadt (de.wikipedia.org). Das Museum gibt es hier aber nicht mehr, es wurde nach Idlib verlagert.
Hostel Spring Flower |
noch ein weiter Weg heute |
mit Bitte um Übersetzungshilfe |
Vergnügungspark |
in Ebla |
Kurz nach 22 Uhr komme ich in Hama an. Ich komme wieder hierher wegen der wunderschönen Wasserräder, die ich am Abend gleich nach meiner Ankunft im "Hotel Cairo" noch anschaue. Hätte es zeitlich besser hingehauen, hätte ich hier noch Abdullah treffen können. Der ist aber gerade mit einer Deutschen auf Biersuche, was sich Sonntag Abend als schwierig gestaltet. Also mache ich mich allein auf den Weg zu den Wasserrädern.
Wasserrad in Hama |
Zur Stadt Hama: Was man nicht mitbekommt, ist ein Ereignis im Jahr 1982: Damals hat der Präsident – der Vater des jetzigen – die Stadt bombardieren lassen, da sich hier Widerstand gegen die Regierung gebildet hatte. Dabei wurden nach Angaben von Amnesty International zwischen 10.000 und 25.000 Menschen getötet und auch einige der Räder zerstört. Bis heute wird das Geschehen von damals offiziell totgeschwiegen.
Zur Lage in Syrien:
Syrien gehört – folgt man der Weltsicht der Bush-USA - zu den „Schurkenstaaten“ und hat keinen guten Ruf (de.wikipedia.org). Damit glauben viele schon zu wissen, was einen hier erwartet. Dabei wird wohl inzwischen jeder, der ein wenig Zeitung liest, zu Recht vermuten, dass wohl eher George W. Bush und seine Konsorten zu den größten Dummschwätzern der Welt gehören und die wahren Interessen in der regionalen Hegemonie und im Öl liegen (problemlos Bündnisse der USA mit Saudi-Arabien, wo Frauen nicht Auto fahren dürfen, und Kuwait, wo Frauen erst seit 2005 wählen dürfen).
Die Liste der Vorwürfe gegen Syrien ist umfangreich und durchaus begründet:
- Mord am früheren libanesischen Ministerpräsidenten Hariri
- Einschleusen von Aufständischen in den Irak
- gute Kontakte zu den Mullahs in Teheran
- Unterstützung der palästinensischen Hamas und das
- Anzünden der dänischen Botschaft beim "Karikaturenstreit".
Tatsächlich bleiben Reformen aus, es gibt politische Gefangene, eine allmächrige Baath-Partei und viele Geheimdienste. Ganz zu schweigen vom "Grossen Bruder", dem Präsidenten Baschar al-Assad, der einen von den Hauswänden herab oder von den Heckscheiben aus betrachtet. (vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.April 2006, S. VI)
Trotz aller Kritik muss man aber beachten und sogar betonen, dass Christen und Moslems hier friedlich zusammenleben. „Die christlichen Gemeinschaften genießen völlige Freiheit, Gotteshäuser zu bauen oder anderweitig religiös aktiv zu sein.“ (www.kath.de) Allerdings: die Toleranzgrenze ist erreicht, wenn bei zweien die Herzen verrückt spielen und sie den Bund der Ehe eingehen wollen. Da hört bei den meisten Eltern der Spaß wirklich auf; Mischehen gibt es nur wenige.
Es ist noch positiv zu betonen, dass der Großteil der irakischen Flüchtlinge hier in Syrien Aufnahme gefunden hat. Mehr dazu später.