Tag 43 - Der gordische Knoten und ein Grabhügel
SO, 13.Mai 2007 - Der gordische Knoten und ein Grabhügel
Sivrihisar – Gordion – Polatlı
Am Morgen mache ich mit Göktuğ noch eine Stadttour durch Sivrihisar:
An den Schulen vorbei, kurz zur Heldengedenkstätte, zum alten Hamam, Richtung meinem Hauptinteresse, der armenischen Kirche. Diese war nach der Vertreibung der Armenier zeitweise eine Schreinerei und wird jetzt nur noch den Tauben genutzt. Entsprechend sieht es dort aus. Reinkommen kann man nur durch die teilweise aufgebrochene Türe. Das Kirchenschiff ist vom Altarraum durch eine Mauer getrennt.
Der Glockenturm liegt separat auf dem nahe liegenden Berg. Von Ferhat vom Internetcafe erfahre ich, dass es laut seinem Großvater sieben von der Kirche ausgehende unterirdische Weg gebe. Einer davon solle zum Turm führen. Dort wurde vor etwa drei Monaten die 300 kg schwere Glocke gestohlen. Wenn man sich das felsige Gebiet drum herum anschaut, muss man sich fragen, wie man dies 1.) überhaupt geschafft hat nachts und 2.) dabei unentdeckt bleiben konnte. Schließlich liegt der Berg mitten über der Stadt, ist sozusagen das Wahrzeichen. Sehr seltsam.
Trotz der schwierigen Verständigungsmöglichkeiten erfahre ich von Göktuğ, dass es hier – mit etwa 10.000 Einwohnern – 13 Moscheen und 9 Minarette gibt. Er selbst bezeichnet die Gegend als fundamentalistisch. Welch ein Unterschied zu Eskişehir!
Blick aus der neuen Siedlung auf die alte Stadt |
Zur Schreinerei umfunktionierte Kirche |
Alter Glockenturm |
Ehemalige armenische Häuser |
Mit Göktu und Ferhat |
Um 12:45 fahre ich dann weiter. Zum nahe gelegenen Hortu, dem angeblichen Geburtsort von Nasreddin Hodscha (http://de.wikipedia.org/wiki/Nasreddin) zieht es mich nicht. Alles muss ja wirklich nicht sein. Dafür aber mache ich einen Umweg nach Gordion (http://de.wikipedia.org/wiki/Gordion). Von hier soll der Begriff “Gordischer Knoten” stammen. Hier kann man das Grab des König Midas betrachten, einen 50 Meter hohen Tumulus/ Hügelgrab von etwa 300 Metern Durchmesser. Besonders interessant ist das Grab aber wirklich nur für Grabforscher. Im Museum kann man einige Fundstücke der Ausgrabungen betrachten, die Mosaike aber sind nicht komplett – es fehlt gerade der interessante Mittelteil. Die Fahrt hierher hätte ich mir also sparen können. Beim Hinweg gab es heftigen Gegenwind und die Straße war miserabel. Dazu der von den LKWs aufgewirbelte Staub. Anfangs musste ich auch noch an einem riesigen Militärgelände vorbeifahren, auf dem an jeder Ecke zig Soldaten standen. Eine Angelegenheit, die mir sehr unangenehm ist. Ich versuche meist, Augenkontakt zu vermeiden.
Gordion ist meinerseits also keine Empfehlung für Touristen, besonders nicht für die Radfahrer unter euch. Mein zweites heutiges kulturelles Interesse hat sich also absolut nicht ausgezahlt. Schade!
Auch die Weiterfahrt nach Polatlı erweist sich nicht als einfach. Auf dem Weg nach Gordion bin ich von der Bundesstrasse abgekommen und muss jetzt im Halbkreis um diese herumfahren. Und der Gegenwind hält an, egal wie ich fahre.
Weg zum Geburtsort von Nasrettin Hodscha |
Bahnprojekt |
Gordion - das beste fehlt |
Grabhügel von Gordion |
Um 18:45 komme ich in Polatlı an und frage am Ende der Stadt an einer Tankstelle nach, ob ich nicht auf den nahen Grünanlagen schlafen könne; denn ich sehe sonst kaum eine Chance, unterzukommen. Bäume gibt es hier nur selten im Freien. Und die sind heute, Sonntag, alle von türkischen Familien belegt.
Die Übernachtung an der Tankstelle ist kein Problem! Anfangs unterhalte ich mich (auf französisch) mit Sahmetin, der 1986 einige Zeit in Basel gewohnt hat, dann aber wegen Drogengeschichten ausgewiesen wurde. Ansonsten komme ich auch gut mit dem Chefkoch ins Gespräch, der ebenfalls super französisch spricht. Mit dem eigentlichen Chef habe ich aber keinen Kontakt, auch wenn der sich zu mir an den Tisch setzt, während ich Tee trinke und Tagebucheintrage mache; denn er kann nur Türkisch. Zudem hat er überhaupt kein cheftypisches Aussehen. Er ist 20, sieht aber aus wie 15. Gut, das tut nichts zur Sache. Ich werde ja auch immer für jünger gehalten. Er ist mir ansonsten aber nur dadurch aufgefallen, dass er zu späterer Stunde einen LKW-Fahrer weggeschickt hat und stolz wieder in den Speiseraum eingetreten ist. Wenn ich in ein paar Jahren wiederkommen werde, verjagt er Leute bestimmt noch besser und hat einen Oberlippenbart.
Die Einträge in mein Tagebuch laufen auch sonst nicht so, wie ich es mir erhofft habe. Es schaut immer wieder jemand über meine Schulter und scheint zu entziffern, was ich da schreibe. Das können aber oft nicht mal meine Dozenten an der KFH, also keine Chance! Auch mache ich den Fehler, mir die Landkarte anzuschauen. Hat man diese nämlich erst mal ausgebreitet, kommen gleich alle im Raum angerannt und wollen einem helfen oder fragen, wo man hin will. Wirklich nett, diese Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Aber mit der Zeit geht es einem auf die Nerven. Das Spiel wiederholt sich nämlich - je nach Strecke - 5 bis 10 mal am Tag.
Schlafen kann ich dann sogar unter freiem Himmel hinter der Tanke, vor einem Kickplatz auf einer erhöhten Couche-Ecke. Toiletten gibt es aber keine für die vielen hier untergekommenen Leute (LKW-Fahrer), da müsste ich noch eine Woche warten. Wenigstens komme ich heute mal früh ins Bett, um 23 Uhr!
Polatli |